Inselzauber
turteln, dass sie mich nicht gehört hat. Nach ein paar Sätzen war mir klar, dass es nun endgültig aus ist.«
»Das ist ja fast wie bei mir«, sage ich und erzähle Leon von Melanies SMS , die ich entdeckt habe, auch wenn es kein gutes Licht auf mich wirft, dass ich Stefans Handy kontrolliert habe.
Aber das fällt Leon zum Glück nicht weiter auf, so sehr ist er mit seinen Angelegenheiten beschäftigt.
»Komm, lass uns zurückfahren«, sage ich, um Leon von seinen trüben Gedanken abzulenken und weil dieses Thema auch bei mir ungute Gefühle und Erinnerungen wachruft. »Allmählich wird es zu kühl, um hier zu sitzen. Außerdem habe ich Nele versprochen, Lisa im Möwennest ein wenig auf die Finger zu sehen.«
Rasch packen wir unsere Sachen zusammen und schwingen uns auf die Räder. Morgen werde ich einen ordentlichen Muskelkater haben, denke ich, während ich wie wild in die Pedale trete, um mich ein wenig aufzuwärmen. Denn noch ist nicht Sommer, und das Sitzen auf dem Deich hat mich ziemlich unterkühlt.
»Kannst ja noch auf ein Glas Wein mit reinkommen«, schlage ich Leon vor, als wir unsere Räder vor dem Café parken.
Doch ihm ist offensichtlich nicht mehr nach Gesellschaft zumute, was ich gut nachvollziehen kann. »Dann bis Montag«, sage ich zum Abschied und umarme ihn kurz. »Wenn dir die Decke auf den Kopf fällt, meldest du dich, versprochen?«
»Mach ich. Lass es dir gutgehen«, antwortet Leon und geht ins Treppenhaus.
Im Möwennest ist Lisa gerade dabei, die Tische abzuräumen, und ich helfe ihr schnell.
»War viel los?«, erkundige ich mich, in der Hoffnung, dass das Café an diesem Tag ordentlich Umsatz gemacht hat.
»Nö, nicht besonders«, lautet Lisas deprimierende Antwort. »Allerdings war eine große Gruppe von ungefähr zwanzig Leuten da, die einen Fahrradausflug gemacht haben und hier zu Mittag essen wollten. Da ich das aber nicht alleine bewältigen konnte und Nele nichts vorbereitet hatte, sind sie weitergefahren.«
Mist, denke ich. Klar, dass man es sich während der Saison bei schönem Wetter nicht leisten kann, so ein Café alleine zu bewirtschaften. Im Grunde müsste Nele längst draußen Tische und Stühle aufgestellt haben, schließlich wollen die Touristen beim ersten Sonnenstrahl im Freien sitzen.
Ich verspreche Lisa, an ihrer Stelle das Café abzuschließen, so dass sie früher als erwartet nach Hause kann. Bea ist heute Abend bei Vero, also wartet im Kapitänshaus niemand auf mich.
Rasch räume ich das Geschirr in die Spülmaschine und stelle bei dieser Gelegenheit fest, dass dringend Salz und Klarspüler nachgefüllt werden müssen. Ich mache mich auf die Suche nach beidem und werde dabei von Blairwitch begleitet, die mir maunzend um die Beine streicht.
»Hallo, meine Süße«, sage ich und streichle Neles Katze. Wie weich sie ist. Und wie hübsch! »Weißt du, wo Nele das Spülmaschinensalz versteckt hat?«, frage ich und suche die Küche ab.
Unter der Spüle kann ich nichts entdecken und auch nicht in der Abstellkammer, wo Nele ihr Putzzeug aufbewahrt. Okay, letzte Möglichkeit, denke ich, bevor ich nach oben zu Leon gehe und ihn frage, ob er so etwas im Haus hat. Ich sehe vorne unter dem Tresen nach, das ist zwar eine komische Stelle, aber bei Nele weiß man nie …
Ich wühle mich durch Berge von alten Zeitschriften, Plastiktüten und Servietten und werde schließlich tatsächlich fündig. Allerdings entdecke ich nicht nur das Gesuchte, sondern auch einen Brief von der Bank, den Nele zerknüllt und offensichtlich vergessen hat, wegzuwerfen.
Für einen Augenblick bin ich mit mir im Zwiespalt, doch bald schon siegt die Neugier. Ich glätte das Schreiben und lege es auf den Tresen.
Sehr geehrte Frau Sievers,
ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir Ihrem Antrag auf Kreditverlängerung nicht zustimmen können, sofern Sie uns keine weiteren Sicherheiten bieten.
Die noch ausstehenden Raten von Euro 10.000 sind ohne Abzug bis einschließlich 31. Mai auf das unten genannte Konto zu entrichten.
Bitte melden Sie sich bis Freitag, den 5. Mai, persönlich bei uns, um die weitere Vorgehensweise in dieser Angelegenheit zu besprechen.
Andernfalls sehen wir uns gezwungen, rechtliche Schritte gegen Sie einzuleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Degenhard
Leiter Kreditabteilung/Sparkasse Sylt
Verstört nehme ich den Brief und knülle ihn zusammen, wie es zuvor Nele getan hat. Ich bin verwirrt. Hat meine Freundin nicht behauptet, ihre Eltern bürgten mit
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