Inselzirkus
wünschte, als dem dubiosen Club niemals beigetreten zu sein. »Du solltest die Augen offen halten, Kristin«, sagte sie. »Hier ist was im Gange. Ich habe gerade bei einem Telefongespräch zugehört, das Sandra Zielcke geführt hat. Unfreiwillig natürlich«, fügte sie an und beteuerte, dass Diskretion ihre Stärke sei und sie niemals auf die Idee kommen würde, ein Gespräch zu belauschen, das sie eigentlich nichts anging.
Zum Glück glaubte Kristin ihr jedes Wort und beteuerte ebenso wortreich, dass Carlotta Capella, die Schwiegermutter von Kriminalhauptkommissar Wolf, selbstverständlich über jeden Zweifel erhaben sei.
Nachdem das geklärt war, überlegte Mamma Carlotta nicht mehr lange. Sie tuschelte Kristin zu: »Die hat was auf dem Kerbholz. Ich habe genau gehört, dass sie einer anderen die Schuld dafür in die Schuhe schieben will!«
»Meinst du, sie war es? Sie hat dafür gesorgt, dass Harry nicht aus dem Schrank gekommen ist?« Kristin machte den Versuch, die Stirn hochzuziehen, was die Botoxlähmung jedoch unmöglich machte. »Also, ich sage dir, Carlotta ⦠Harry wurde von einem Bösen Huhn erledigt. Du bist natürlich aus dem Schneider, schlieÃlich hast du ja auch gar kein Motiv. Aber Heidi â¦Â« Sie rückte nahe an Mamma Carlotta heran. »Heidi will mir einreden, Beate wäre es gewesen. Aber war es nicht gerade Heidi so wichtig, dass wir uns gegenseitig Alibis geben? In Wirklichkeit geht es Heidi nur darum, selber ein Alibi zu haben. Das ist mir klar geworden, als du diese Bemerkung gemacht hast. Heidi war ganz schön sauer darüber. Ich glaube, sie fühlte sich durchschaut.«
»Hat Heidi denn ein stärkeres Motiv als Beate und du?«
Davon war Kristin überzeugt. Während Mamma Carlotta die feuchten Stellen von Bussos Hose unter den Händetrockner hielt, setzte Kristin ihr auseinander, dass Heidis Rolle gestrichen werden sollte. »Das habe ich aus sicherer Quelle. Unsere Zuschauer haben sich verjüngt, also soll es mehr jüngere Darsteller geben, und die älteren werden nach und nach entsorgt.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schien sehr zufrieden damit zu sein, dass sie geringfügig jünger war als ihre Kollegin. »Heidi ist nun mal die Ãlteste von uns.«
Mamma Carlotta kümmerte sich gründlicher um die Hose, als nötig war. Sollte sie Kristin verraten, dass ihre Rolle genauso in Gefahr war? Ebenso wie Beates? Aber dann hätte sie auf Fietje verweisen müssen, und das kam natürlich nicht infrage.
»Woher weiÃt du das?«, fragte sie stattdessen.
Aber Kristin winkte ab, als käme es darauf nicht an. »Aus erster Hand! Mehr kann ich nicht sagen.«
Mamma Carlotta wurde von einer Ahnung beschlichen. Die erste Hand war wahrscheinlich eine von Harry Jumperzâ Pranken, der jeder der drei erzählt hatte, zwei von ihnen müssten mit baldiger Kündigung rechnen, damit diejenige, die sich gerade in seinem Bett räkelte, Angst bekommen musste, dass es auch sie treffen könnte, und den Chefautor so zuvorkommend behandelte, wie er es liebte. Kein Wunder, dass Kristin nicht bekennen wollte, woher sie ihr Wissen bezog. Dann hätte sie auch zugeben müssen, dass sie nach wie vor Harrys Geliebte gewesen war, obwohl sie ihn verachtete wie keinen anderen Mann.
Plötzlich sah Kristin auf die Uhr und lief zur Tür. »Ich muss in die Maske! Wir sehen uns gleich beim AuÃendreh? Bin gespannt, wie du mit deiner Komparsenrolle klarkommst, Carlotta!«
Mamma Carlotta verlieà die Halle, als Kristin schon in der Maske verschwunden war. Sie blickte sich vorsichtig um. Würde sie auf demselben Weg das Gelände verlassen können, wie sie es betreten hatte?
Ihre Chancen standen schlecht. Der Wachmann hatte den Reporter abgewimmelt, stand nun neben der Schranke und betrachtete Mamma Carlotta aufmerksam. Anscheinend fragte er sich, wie sie in die Halle gekommen war, ohne die Schranke passiert zu haben. Wenn sie jetzt denselben Weg nahm, würde er es wissen. Und dann würde Erik womöglich bald erfahren, dass seine Schwiegermutter einen Weg kannte, zu »Liebe, Leid und Leidenschaft« vorzudringen, von dem sonst niemand etwas wusste. Von da aus war es nicht weit bis zur Entlarvung als Böses Huhn.
Mamma Carlotta wurde in ihren Ãberlegungen unterbrochen, als Beate aus der Maske sprang und auf sie zugelaufen
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