Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inselzirkus

Titel: Inselzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
Vom Netzwerk:
war?
    Erik zwang sich, eine Weile ruhig weiterzugehen, um den Mann in Sicherheit zu wiegen, dann erst drehte er sich ein weiteres Mal um. Noch immer stand der Mann am Fuß der Dünen. Diesmal blickte er Erik nach. Trotz der Entfernung war Erik sich ganz sicher, dass der Mann ihn beobachtete.
    Er wollte sich gerade resigniert abwenden und weitergehen. »Geh dahin zurück, wo du herkommst«, flüsterte Erik. »Mach die Natur kaputt, in der du selber lebst! Aber nicht unsere Dünen!«
    In diesem Moment sah er es. Direkt über dem Punkt, an dem der Mann stand, etwa zwei oder drei Meter höher, bewegte sich etwas. Eine geduckte Gestalt! Sie trug eine weite graue Jacke und hatte sich die Kapuze über den Kopf gezogen. Als sie sich aufrichtete, wandte sie dem Meer den Rücken zu. Kurz drehte sie sich zurück, als rechnete sie damit, dass der Mann in die Dünen zurückkehrte, dann lief sie davon. Erik hätte nicht sagen können, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Wenige Augenblicke nur, und das Dünengras hatte die Gestalt verschluckt. Erik glaubte aber, noch lange den aufstiebenden Sand zu sehen, und fühlte erneut seine ohnmächtige Wut.
    Ob die beiden zusammengehörten? Dieser Mann, der noch immer am Fuß der Dünen stand, und die Person, die soeben geflüchtet war? Erik nahm nun an, dass es sich um eine Frau handelte. Vermutlich hatten die beiden ein Schäferstündchen genießen wollen, und nun war sie unruhig geworden, weil er nicht wiederauftauchte, und hatte sich davongemacht.
    Erik brauchte lange, um seinen Zorn zu besiegen. Als er am Brandenburger Platz den Strand verließ, war daraus so etwas wie Schwermut geworden. Man konnte nichts tun, um die Leute davon zu überzeugen, wie wichtig der Dünenschutz war! Wer es nicht einsah, würde sich immer wieder über die Anordnungen der Kurverwaltung hinwegsetzen.
    Erik strich ausgiebig seinen Schnauzer glatt, dann ging er langsam auf den Tisch zu, neben dem Tanja Möck immer noch stand und ihm entgegenblickte. Nun wusste er, warum ihm dieser Mann bekannt vorgekommen war, obwohl er sich so viel Mühe gegeben hatte, sein Gesicht zu verbergen. Bruce Markreiter war es gewesen, der sich ein Plätzchen gesucht hatte, wo er vor neugierigen Blicken verschont blieb.
    Dem Schauspieler gegenüber saß ein kleiner dicker Mann, der auf Markreiter einredete und sich dabei so sehr ereiferte, dass ihm der Schweiß von der Stirn auf die Tischplatte tropfte. Bruce Markreiter dagegen blieb ganz ruhig. Worum es auch immer ging – er schien die besseren Argumente oder die besseren Nerven zu haben. Der kleine dicke Mann regte sich dermaßen auf, dass der Wirt mit dem Gläserspülen aufhörte, um dem Streit der beiden folgen zu können.
    Erleichtert stellte Erik fest, dass sich sonst niemand in der Kantine aufhielt. Kurz schoss ihm die Frage durch den Kopf, wo seine Schwiegermutter nach dem Casting hingegangen sein mochte, aber er schob sie schnell beiseite, als der Dicke wütend aufsprang. »Die Polizei?«
    Er schob Tanja Möck mit einer barschen Handbewegung zur Seite und kam aufgebracht auf Erik zu. »Wegen so einer Lappalie marschiert hier gleich die Polizei auf? Lächerlich!« Er fuhr mit dem Zeigefinger auf Erik los. »Sie werden es nicht wagen, mir was anzuhängen! Wenn dieses Küken eine Mimose ist, dann hat die Kleine hier nichts verloren! Ihr Bruder auch nicht! Und diese rasende Großmutter erst recht nicht! Da macht man so einem blassen Hühnchen ein Kompliment, um ihm ein bisschen Selbstvertrauen zu geben … und schon hat man erst die Oma und anschließend die Bullen auf dem Hals! Passiert auf Sylt nichts Wichtiges, worum die Polizei sich kümmern könnte?«
    Erik starrte ihm verblüfft ins Gesicht, während der Dicke weiter darüber lamentierte, dass ein netter, liebenswürdiger Mann heutzutage mit einem Bein im Gefängnis stünde, wenn er einem verängstigten jungen Mädchen durch besondere Freundlichkeit Mut zusprechen wolle. »Aber nicht mit mir, mein Lieber! Wenn diese Oma mir sexuelle Belästigung anhängen will, mache ich das Gleiche mit übler Nachrede. Darauf können Sie sich verlassen!«
    Nun endlich gelang es Erik, den Redestrom durch eine Frage zu stoppen: »Wovon reden Sie eigentlich?«
    Er hatte tatsächlich kein Wort verstanden, obwohl ihn einige Reizwörter in der wütenden Rede

Weitere Kostenlose Bücher