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Inselzirkus

Titel: Inselzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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zukünftigen Aufgabe bekamen. Mal laut, mal leise, mal leicht dahingesagt und noch einmal mit tiefer Inbrunst.
    Dann fragte Fietje: »Was ist das: Bettola?«
    Und damit fiel Mamma Carlotta wieder ein, warum sie in Käptens Kajüte eingekehrt war. Da Toves Gesicht noch immer kein Lächeln zeigte, verzichtete sie vorsichtshalber darauf, das Wort ins Deutsche zu übersetzen. »Die Produktionsgesellschaft sucht eine Location.« Diese Mitteilung ließ sie eine Weile wirken, bis sie feststellen musste, dass sie keine Bewunderung erntete, trotz der zwei neuen Vokabeln, die ihr richtig gut gelungen waren. »Ich habe denen verraten, dass Käptens Kajüte perfekt geeignet wäre. Was sagen Sie nun?« Sie starrte Tove so lange ins Gesicht, bis dort das stumpfe Desinteresse endlich von einer winzigen Ungläubigkeit abgelöst wurde. »Ist das nicht meraviglioso?«
    Tove sah Fietje an, als wollte er sich von ihm bestätigen lassen, dass er die Worte der Signora richtig verstanden hatte.
    Aber Fietje war genauso skeptisch wie Tove. »Die wollen bestimmt einen Nobelschuppen«, meinte er. »So was wie das Gogärtchen oder die Sansibar.«
    Und Tove nickte, als wäre er froh, dass damit die kurze Hoffnung wieder begraben war, die zwar Geld einbringen, aber auch sein gleichförmiges Leben in Aufruhr bringen würde.
    Â»No, no!« Mamma Carlotta freute sich so auf die Verkündigung ihrer guten Nachricht, dass die vier Beine ihres Barhockers Probleme mit der Statik bekamen. Gab es etwas Schöneres, als einem armen Menschen, der gerade unter Resignation und Perspektivlosigkeit zusammenbrechen wollte, neue Hoffnung zu schenken? »Die suchen kein Nobelrestaurant, die brauchen eine Kaschemme!«
    Erschrocken sah sie Tove an. Nun war es ihr doch herausgerutscht, das verächtliche Wort, das auf Tove womöglich die gleiche Wirkung hatte wie das Erscheinen des Gewerbeaufsichtsbeamten in seiner Küche.
    Doch es stellte sich heraus, dass Tove sich über die Kategorie seiner Imbissstube keine Illusionen machte. Sein Gesicht knüllte sich zusammen, was einem zufriedenen Lächeln gleichkam. Und als er, statt sich endlich um den bestellten Cappuccino zu kümmern, in die Küche ging und mit einer Flasche Rotwein aus Montepulciano zurückkam, wusste Mamma Carlotta, dass er sich freute. Da er ihr Glas bis zum Rand füllte und »Geht aufs Haus!« sagte, stand sogar fest, dass er vor Freude außer sich war.
    Mamma Carlotta war mittlerweile oft genug auf Sylt gewesen, um zu wissen, wie ein Friese sich freute. Ungefähr so, als bekäme ein Italiener die Nachricht, dass er mit einer etwas geringeren Steuernachzahlung als befürchtet zu rechnen habe.

    Erik blieb in der Tür der Kantine stehen, während Tanja ihm zu einem Tisch vorausging, an dem zwei Männer saßen. Einer war groß, kräftig, mit breiten Schultern und muskulösen Oberarmen. Sein Profil war scharf geschnitten und makellos.
    Erik zweifelte keinen Augenblick daran, dass es sich um Bruce Markreiter handelte. Diese hohe Stirn, die gerade Nase, die dunklen, leicht gewellten Haare und die grauen Schläfen kannte auch jemand wie er, der sich nichts aus Promis machte. Statt Tanja Möck zu folgen, blieb er stehen und zog umständlich den Reißverschluss seiner Jacke auf, als wollte er sich Erleichterung verschaffen, ehe er sich in die Kantine begab, wo es nach abgestandenem Kaffee roch und unangenehm warm war. Warum um alles in der Welt hatte er den Schauspieler nicht erkannt, als er ihn am selben Morgen gesehen hatte? Weil er seine Mütze tief in die Stirn gezogen und die Sonnenbrille nicht abgenommen hatte, während Erik mit ihm sprach? Vielleicht auch, weil es ihm gelungen war, das Gespräch so schnell wie möglich zu beenden und Erik so oft wie möglich den Rücken zuzudrehen?
    An diesem Morgen war Erik zu Fuß nach Westerland gegangen. Das tat er gerne, wenn ihn keine schweren Fälle auf dem Schreibtisch zur Eile antrieben. Und da an diesem Tag Engdahls Geburtstag gefeiert werden sollte, hatte er es vorgezogen, den Wagen zu Hause zu lassen. Sören war oberhalb des Strandes nach Westerland gejoggt, weil er ahnte, dass sein tägliches Fitnesstraining an diesem Abend ausfallen würde, Erik aber war zur Wasserkante hinabgestiegen und hatte sich dann gen Süden gewandt. Die Luft war kalt und klar, wie er es liebte, die Sonne noch zu schwach, um zu wärmen,

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