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Inshallah - Worte im Sand - Roman

Inshallah - Worte im Sand - Roman

Titel: Inshallah - Worte im Sand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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erinnerte.
    Warum war alles schiefgelaufen? Schlimmer noch: Warum hatte Baba die Sache so auf die leichte Schulter genommen? Er schien sich überhaupt nicht mehr an die Hoffnungen zu erinnern, die ich mit der Operation verbunden hatte. Er hatte auch keine Sekunde daran gedacht, dass Zeynab mit im Zimmer gewesen war, als er über ihre Hochzeit geredet hatte. Er kümmerte sich nur um sein Geschäft, war missmutig und ließ ausgerechnet Malehkah als die Nette erscheinen.
    Es wäre besser gewesen, wenn die Amerikaner nie nach An Daral gekommen wären. Ich hatte noch vor Augen, wie sie mit all ihren mächtigen Waffen vor der Baustelle gestanden hatten. Mit ihren dummen Gewehren und ihren dummen Kriegen. Soldaten ruinierten immer alles. Afghanistan hatte so etwas zu oft erleben müssen.
    Vor allem meine Mutter.
    Meine letzte Erinnerung an meine Mutter war nur noch vage und verschwommen, aber so schmerzhaft und schlimm wie immer. Ich verdrängte sie meist und dachte an etwas anderes. Doch manchmal überwältigten mich die Bilder jenes unheilvollen Abends während der Herrschaft der Taliban.Ich saß im Hauptraum unseres Hauses auf Mada-jans Schoß. Sie klappte das große, braune Buch zu, aber ich wollte noch mehr hören. Sie lachte und sprach einige Verse aus dem Gedächtnis:
    »Kein wahres Herz, das nie in Liebesschmerz entbrannte;
    Stumpf jede Seele, die nicht Sehnsuchtsqualen kannte.
    Entflieh der Welt und wende deine Schritte
    Dem Reich der Liebe zu; es ist des Lebens Mitte.«
    Mada-jan nahm mich in die Arme. »Deine große Schwester schläft immer ein, aber du, meine Kleine, liebst die Dichtung.«
    Ich war stolz, weil ich das Gefühl hatte, meine Schwester wenigstens in einer Hinsicht ausstechen zu können.
    Zeynab schlief neben Malehkah. Eigentlich wollte ich nicht, dass Babas neue Frau auf meiner Matte schlief, aber sie war zu schweigsam, um Zeynab ihre eigene Matte anzubieten.
    »Ich liebe dich. Versprich mir etwas, meine süße Prinzessin. Versprich mir, dass du so viel wie möglich lesen und lernen wirst.« Mada küsste mich auf den Kopf. »Auch wenn die Taliban oder andere Menschen sagen, es sei böse.«
    »Bale, Mada-jan«, antwortete ich. »Versprochen.«
    »Aber jetzt musst du schlafen.«
    »Es ist noch zu früh. Und zu heiß«, wandte ich ein. »Darf ich auf Baba und Najib warten?«
    Mada schüttelte den Kopf. »Sie kommen sicher erst sehr spät von der Arbeit. Ich bleibe auch nicht so lange auf. Du musst jetzt mit Zeynab nach oben gehen und so tief schlafen wie Khalid, unser kleines Baby.«
    Plötzlich wurde gegen die Haustür gehämmert. Madamachte große Augen und zuckte zusammen. Malehkah richtete sich auf und blickte sie mit gerunzelter Stirn an.
    »Geh zur Tür, Malehkah.« Mada schob mich von ihrem Schoß und eilte mit dem Buch zur Vorratskammer. »Ich muss das hier verstecken.«
    Da ertönte draußen ein Knallen. Metall kreischte. Mada erstarrte. Sie machte kehrt und riss Zeynab auf die Beine. »Bring die Kinder auf das Dach. Sorg dafür, dass sie still sind.« Mada schubste Zeynab zu Malehkah. Dann gab sie ihr das Buch. »Und nimm das hier auch mit.«
    »Saima, was …«
    »Geh jetzt, Malehkah!«, rief meine Mutter.
    Malehkah packte Zeynab beim Handgelenk und rannte zur Treppe. Sie stieß mich vor sich her, aber weil sie das Buch unter ihrem Arm hatte, konnte ich ihr entwischen. Sie trug meine schreiende Schwester allein nach oben.
    Unsere Haustür wurde aus den Angeln gerissen und krachte in das Haus. Dann wurde Baba in den Raum gestoßen. Er rollte über den Fußboden und knallte gegen die Wand, wo er stöhnend liegenblieb. Seine Augen waren geschwollen, aus Mund und Nase lief Blut über seinen Bart. Ich kreischte.
    »Geh nach oben, Zulaikha!«, schrie Mada.
    Drei Männer mit schwarzem Turban und sehr langem Bart betraten den Hauptraum. Jeder hielt ein Gewehr. Einer ging mit drei schnellen Schritten zu meinem Vater und trat ihn in den Bauch.
    »Bitte«, stöhnte Baba. »Aufhören, bitte. In der Truhe.« Er zeigte auf die Vorratskammer. »Sie sind in derTruhe. Mehr gibt es nicht, das schwöre ich. Es sind ihre einzigen Bücher.«
    »Nein, Sadiq!«, rief meine Mutter. Sie drückte sich neben der Tür zu unserer kleinen Küche gegen die Wand.
    Der Mann, bei dem es sich um den Anführer zu handeln schien, nickte seinen Leuten zu. Sie eilten in den Anbau, der unsere Vorratskammer beherbergte. Ich hörte Gepolter, in Scherben gehende Teller, zu Boden krachende Kisten. Bei ihrer Rückkehr hielt einer zwei

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