Inshallah - Worte im Sand - Roman
Bücher meiner Mutter in seinen zitternden Händen.
»Oh, Sadiq.« Tränen rollten über die Wangen meiner Mutter.
Der Anführer ging zu ihr, schwang das Gewehr wie einen Knüppel und schlug ihr ins Gesicht.
Ihr Blut spritzte gegen die Wand.
»Nein, nein, nein, nein, nein!«, rief Baba. »Ihr habt gesagt, ihr würdet nur die Bücher …« Der dritte Mann rammte meinem Vater den Stiefel in den Bauch.
Mada-jan spuckte rotes Blut, in das sich weiße Zahnsplitter mischten. Der Anführer holte noch einmal mit dem Gewehr aus. Sie hob die Hände, um ihr Gesicht zu schützen. Ihr Arm brach wie ein dürrer Stock, als das Gewehr dagegenknallte. Mit einem Schrei fiel sie auf die Knie.
Der Anführer zeigte auf den Mann mit den Büchern, dann auf den Fußboden. Der Taliban ließ die Bücher fallen. Sie landeten aufgeschlagen auf dem Boden. Der Anführer zog eine Flasche aus der Tasche und schüttete eine stinkende Flüssigkeit auf das Papier. Er ließ meine Mutter nicht aus den Augen, während er ein Streichholz anriss und die Flamme vor sein Gesicht hielt. Er lächelte. Dann ließ er das Streichholz fallen.
Die Bücher gingen mit einem dumpfen Laut in Flammen auf. Die Seiten wurden schwarz und kräuselten sich. Der Mann fuhr herum und trat meiner Mutter so heftig vor die Brust, dass sie gegen die Wand flog.
»Nein! Bitte!«, schrie Baba.
Der Anführer bellte einen Befehl und seine Männer nagelten meinen blutenden Vater mit Tritten auf dem Boden fest.
»Haut ab!«, rief ich und ballte die Fäuste.
Der große Mann drehte sich nach mir um. Seine Augen waren schmal und schwarz umrandet.
Als er auf mich zuging, sprang meine Mutter auf und bremste ihn mit ihrem unversehrten Arm. Er packte sie bei den Haaren. Mada schrie, als er sie durch die Haustür auf den Hof schleifte. Die zwei anderen Männer hielten meinen strampelnden Vater fest.
Dann ertönte Geschrei. Gebrüll. Geschrei.
Ein Schuss wie ein Donnerhall.
Nachdem die Männer fort waren, wurde nur noch geweint. Ich ging zur Tür. Mein Vater kniete auf dem Hof im Staub und klagte laut um meine Mutter.
»Saima, meine Saima. Vergib mir, Saima.«
Jetzt, Jahre später, als ich zwischen meiner schlafenden Familie auf der Toshak lag, dachte ich an meine Mada-jan, die man mir geraubt hatte. Ich dachte an die verpasste Gelegenheit zu einer Operation, nach der ich endlich hübsch gewesen wäre.
Man hatte mir jede Aussicht auf Glück genommen.
Ich vergrub mein Gesicht im Tschador und weinte.
Eine Woche später brannte die Sonne heißer als je zuvor im Sommer. Die stürmischen Winde der Hundertzwanzig Tage brachten keine Abkühlung. Schweiß stand mir auf der Stirn und lief über meinen Rücken. Ich war müde, denn ich hatte Khalid und Habib den ganzen Tag beschäftigen müssen, damit sie während Zeynabs Feier schliefen, die am heutigen Abend stattfinden sollte. Nachdem wir einen ganzen Tag gekocht und geputzt hatten, um alles für die Frauen der Familie Abdullah vorzubereiten, ordnete Malehkah an, dass Zeynab sich ausruhen sollte. Ich musste erst zum dummen Basar gehen und danach Baba und Najib Essen auf die Baustelle bringen. Die Schweißarbeiten für den Neubau der Schule waren fast abgeschlossen. Baba und Najib hatten sich am späten gestrigen Abend in Abdullahs Haus mit Tahir getroffen, um offiziell das zu besiegeln, was Baba einen sehr großzügigen Brautpreis nannte. Deshalb wollten sie heute bis weit nach Anbruch der Dunkelheit arbeiten.
Ich lief in der Gluthitze durch die Straßen. Das Bündel mit Naan hatte ich umständlich unter einen Arm geklemmt. Der Griff des schweren Reistopfes schnitt mir in die Hand. Schweiß strömte über mein Gesicht und lief durch den Spalt in meiner Oberlippe in meinen Mund. Er schmeckte so salzig wie Tränen.
In diesem Teil des Ortes war die Straße noch holperiger und unebener als üblich, und ich achtete darauf, nicht zu stolpern. Aber ich hätte besser aufpassen sollen, denn plötzlich näherte sich ein Schatten. Als ich aufsah, versperrte mir Anwar den Weg. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und lächelte grausam. Dann beugte er sich vor und verengte die Augen, um meinen Mund genau in Augenschein nehmen zu können. »Hmm. Nein«, befand er. »Immer noch das alte Eselgesicht. Nicht einmal die reichen Amerikaner mit ihren tollen Apparaten und Ärzten konnten deinen hässlichen Mund und deine Nase richten.« Ich wollte ihn umgehen, aber er stellte sich wieder in den Weg. »Halt, halt, Eselgesicht! Warum die
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