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Inshallah - Worte im Sand - Roman

Inshallah - Worte im Sand - Roman

Titel: Inshallah - Worte im Sand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gewesen wie an diesem Abend.
    »Najibullah.« Mein Vater riss ein großes Stück Rindfleisch ab und schob es sich ganz in den Mund. Dann wischte er die würzige Soße mit dem Handrücken ab. Als mein neben ihm sitzender Bruder nicht reagierte, beugte sich mein Vater zu ihm hin und stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Wir müssen heute Abend noch einmal los. Ich will die drei Stützbügel schweißen, die wir morgen brauchen.« Mit vollem Mund war er schwer zu verstehen.
    Ich blickte Zeynab neben mir an. Sie rollte den Reis mit ihren schlanken, anmutigen Fingern zu einem Ball, den sie in ihrem makellosen Mund verschwinden ließ, ohne ein einziges Korn fallen zu lassen. Sie merkte offenbar, dass ich sie ansah, denn sie lächelte betrübt.
    Meine Wangen brannten vor Scham. Wie konnte ich neidisch auf meine Schwester sein, die immer nur nett zu mir gewesen war? Neid war eine Sünde und ich betete um Vergebung. Ich wusste, dass sie aufgeregt war und nur an die wunderbaren Hochzeitsvorbereitungen denkenkonnte. Unsere gemeinsame Zeit ging zu Ende und ich hasste mich, weil ich alles verdarb. Baba hatte wegen meines Mundes den weiten Weg bis Farah umsonst zurückgelegt. Ich war der Grund für seine schlechte Laune. Wäre diese Frau nur nicht so beleidigend gewesen. Hätte Baba nur etwas mehr Geduld gehabt und überlegt, wie ich doch noch operiert werden könnte.
    Ich lehnte den Kopf für einen weiteren Happen zurück. Nachdem ich meine Finger an dem Tuch abgewischt hatte, das beim Essen immer neben mir lag, merkte ich, dass Baba mich betrachtete. Ich glaubte schon, er wollte mir etwas sagen, aber er wandte sich an Malehkah. »Ich habe heute mit Hajji Abdullah und seinem Bruder Tahir geredet. Ihr müsst alles vorbereiten. Vor allem die Feier am Vorabend der Hochzeit. Ich möchte Hajji Abdullahs Familie beeindrucken.«
    »Ich finde das überstürzt. Was werden die Leute denken?«, entgegnete Malehkah. »Wir haben uns schon darauf eingelassen, dass die Ehe nach nur einem Treffen vollzogen wird. Die Leute werden reden. Sie werden glauben, dass wir Zeynab so schnell wie möglich loswerden wollen.«
    »Na und?«, erwiderte Baba mit Nachdruck. »Was sollen sie schon reden? Unser Liebling wird einen klugen Geschäftsmann heiraten. Durch Heirat und Beruf werden wir uns mit einer der reichsten, angesehensten und wichtigsten Familien in An Daral vereinen.«
    Najib sagte leise: »Die Amerikaner verlangen, dass die Klinik für die Provinz Nimruz noch früher fertig wird als geplant. Die Abdullahs werden dafür sorgen, dass Baba den Zuschlag bei der Ausschreibung erhält.«
    Baba grinste. »Tahir ist ein großartiger Mann. Er verdientviel Geld damit, in ganz Afghanistan Lebensmittel und Nachschub für die Amerikaner zu transportieren. Jetzt steigt er auch noch in die Produktion von Betonsteinen ein. Seitdem ein halbwegs stabiler Friede herrscht, wird wie wild gebaut. Er wird uns an den Gewinnen seiner Bauprojekte beteiligen, wenn wir ihm ein paar Stanzmaschinen für Betonblöcke schweißen. Das wäre an sich schon ein großzügiger Brautpreis. Dazu hat er auch noch die Geldsumme auf hunderttausend Afghani erhöht.«
    Malehkah nickte. Dann fragte sie, ohne den Blick zu heben: »Und die Verlobungsfeier?«
    »Was? Wozu das alles?«
    »Es ist Tradition«, sagte Malehkah.
    Baba schüttelte den Kopf. »Das sind altmodische Bräuche für altmodische Afghanen. Die Abdullahs sind das Neueste und Beste gewöhnt. Darum muss die Feier vor der Nikah ein voller Erfolg werden. Das Wohnzimmer muss blitzblank sein. Es darf nur das beste Essen geben. Für mein süßes Mädchen muss alles vollkommen sein.«
    »Können wir nicht warten, bis …«
    »Tut einfach, was ich euch sage«, unterbrach Baba sie. »Ich muss mir von dieser Amerikanerin genug Respektlosigkeiten gefallen lassen. In meinem eigenen Haus dulde ich so etwas nicht.« Er stützte sich beim Aufstehen stöhnend auf Najibs Schulter.
    »Bale«, seufzte Malehkah. Sie sah Zeynab und mich an. »Alles wird rechtzeitig fertig sein.«
    Khalid und Habib folgten Baba und Najib nach draußen, um die Werkzeuge mit in den Toyota zu laden.
    Malehkah, Zeynab und ich saßen vor den Essensrestenund starrten die Unordnung an, die keiner von uns aufräumen mochte.
    Nach dem Abendgebet schliefen alle außer mir. Ich schloss die Augen und versuchte einzudämmern, aber hinter meinen Augenlidern blitzte immer wieder etwas auf, das mich an den in der Sonne glitzernden Klingendraht in der amerikanischen Basis

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