Inshallah - Worte im Sand - Roman
besondere Aufmerksamkeit schenkte. Es gab mindestens drei komplette Garderoben und zwei Tschadris. Meine Schwester, die nun zwei goldene Ketten und lange, goldene Ohrringe trug, funkelte regelrecht. Die goldene Halskette mit dem Anhänger aus dunkelblauem Lapislazuli war sicher sehr schwer.
Nachdem Gulzoma alle Geschenke vorgeführt hatte, flüsterte mir Malehkah ins Ohr: »Nimm deiner Schwester die goldene Halskette ab und biete sie Gulzoma an.«
Ich wich einen Schritt zurück. »Aber, Mada, ich dachte …«
Sie packte meinen Arm. »Tu, was ich dir sage! Es ist Brauch, die Güte der Gastgeberin mit einem Geschenk aus der Mitgift zu vergelten.«
»Bale, Mada.« Ich setzte mich in Bewegung. Gulzoma erwartete mich lächelnd. Ich bückte mich zu Zeynab und flüsterte: »Malehkah sagt, dass ich Gulzoma die Kette schenken soll.« Zeynab nickte unmerklich und ich löste den Verschluss des wunderschönen Schmuckstücks. Dann drehte ich mich um und bot es Gulzoma an.
»Wie?« Ihr Mund stand vor Staunen offen und sie legte sich eine Hand auf die Brust.
»Tashakor für die wunderbare Hochzeit, Gulzomajan«, sagte ich.
»Eine so prächtige Halskette kann ich unmöglich annehmen. Ich meine … Ich habe doch schon so viele …« Sie legte sich einen Finger an die Lippen. »Zeynab ist sehr großzügig. Wie könnte ich ein solches Geschenk ausschlagen?« Sie hob die Kette an und die Leute klatschten. Dann nickte sie der Kapelle zu und die Musik ging weiter.
»So viel Wirbel um Geschenke«, flüsterte ich, als ich wieder neben Malehkah saß.
Die Frau meines Vaters sah mich an und erwiderte leise: »Du scheinst langsam zu begreifen.«
Nachdem die Sonne untergegangen war und die Sterne am Himmel funkelten, kehrte Tahir zurück und flüsterte Zeynab etwas ins Ohr. Sie legte ihre kleine, zarte Hand in seine großen, kräftigen Finger und sie standen gemeinsam auf. Sofort begannen alle Frauen zu klatschen und zu johlen.
»Zeit zu gehen«, sagte Malehkah. Ich erhob mich und half ihr in den Tschadri. Für uns wäre bald alles vorbei. Für Zeynab war es erst der Anfang.
Das Brautpaar verließ das Grundstück. Malehkah und ich folgten. Wir liefen dicht nebeneinander, nur Zeynab fehlte. Sie würde nie wieder neben uns gehen. Wie leer würde das Leben zu Hause sein, wenn ihre Abwesenheit schon hier, in dieser großen Menge, so sehr schmerzte? Ich schüttelte den Kopf und versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Es war falsch, bei einem so fröhlichen Anlass traurig zu sein. Wir trafen Baba, Najib und dieJungen draußen beim Auto. Tahir und meine Schwester stiegen in einen langen, weißen Toyota, der mit grünen, orangen und weißen Bändern und Blumen geschmückt war.
Im Auto sagte niemand ein Wort, bis mein Vater den Motor anließ. »Ha! Was für ein herrlicher Tag! Tahir Abdullah ist ein guter Mann.« Baba klatschte in die Hände, bevor er das Auto möglichst dicht hinter den Hochzeitswagen bugsierte. »Er ist reich und wird immer reicher. Er wird gut für Zeynab sorgen und er wird der beste aller Ehemänner sein.«
Bei Babas Begeisterung musste ich lächeln. Malehkah saß starr neben mir. Sie zog unter ihrem Tschadri sicher die gewohnt schlecht gelaunte Miene. Habib, der eine bequemere Schlafposition suchte, hampelte auf meinem Schoß herum.
»Und du, Zulaikha – Tahir hat erzählt, dass du bei der Heirat ganz wunderbar warst. Tashakor. Es ist eine runde Sache. Tahir ist froh, neben den zwei alten Schachteln eine junge, hübsche Frau zu haben.« Mein Vater lachte. Sogar der stille Najib kicherte kurz. Baba löste seine Krawatte. »Dank der Friedenszeit und einiger Absprachen, die ich mit den Abdullahs getroffen habe, werden wir jetzt viel Geld verdienen!«
Die vom Tschadri verhüllte Malehkah drehte sich zu mir um. Sie streichelte den zwischen uns sitzenden Khalid, der gegen den Schlaf ankämpfte, und schien mich lange durch den von einem Netz bedeckten Sehschlitz ihres Tschadris anzusehen. Dann wandte sie sich ab und blickte aus dem Fenster.
Die Schlange aus Wagen fuhr mit viel Lärm durch die Straßen von An Daral. Fahrer hupten und riefen ausden Autofenstern. Die Kolonne überquerte den Fluss und schlängelte sich bergauf bis zu den Häusern unseres Viertels. Wir waren unter den Letzten, die aus der Reihe ausscherten, um nach Hause zu fahren. Tahirs Toyota bog nach links ab und fuhr um einen Hügel zu seinem Haus. Ich sah den roten Rücklichtern nach, bis sie verschwunden waren.
Am nächsten Morgen – wir hatten gerade
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