Inside Aldi & Co.
der Buchhaltung bestätigt solche Situationen und die Ausführungen ihrer Kollegin. Sie berichtet außerdem, wie gut es sich einige Aldi-Manager wirklich gehen lassen und mit welchen Tricks sie dabei arbeiten. Da ist von pompösen Weihnachtsfeiern, von Ausflügen in Tanzbars, von Wochenenden in Nobelhotels, von Tricksereien mit Bewirtungsbelegen bis hin zu fragwürdigen Deals mit Unternehmenseigentum die Rede. Solche und ähnliche Geschichten gibt es aus mehreren Regionen, bestätigt von Spitzenmanagern, aber ich will sie nicht vertiefen, vielleicht, um Einzelnen nicht zu schaden, vielleicht, so irre es klingen mag, aus Loyalität. Dass sich Manager selbst bedienen und dabei Gesetze außer Acht lassen, ist verbreitet. Die Gesellschaft hat sich daran gewöhnt. Bizarr wirkt solches Verhalten aber, wenn gleichzeitig mit großer Geste und harter Hand höchste Ansprüche an die Ehrlichkeit derer «da unten» gestellt werden. Wie bei Aldi eben.
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Betriebsratswahlen à la Aldi Süd
Die Chronik einer Entwürdigung
Sommer 2010
Seit knapp zehn Jahren arbeiten Snezana Milenovska, Aleksandar Conda und Nenad Davidovic in Frankfurt bei Aldi Süd. Die umliegenden sozialen Probleme kommen ab und an in die Filiale: Es gibt in ihrer Innenstadtfiliale mehr Obdachlose und Arbeitslose als anderswo; manche greifen zu, ohne zu bezahlen. Die Inventuren sind seit jeher schlecht. Nun soll es ein neuer Filialleiter richten. Er wird als Top-Mann angekündigt.
Januar 2011
Die Jahresabschlussinventur fällt desaströs aus, schlechter noch als sonst, der neue Filialleiter hat «versagt». Wahrscheinlich hat er sein erstes Weihnachtsgeschäft versemmelt. Der als Hoffnungsträger Gepriesene muss Erklärungen abgeben, sich rechtfertigen. Aber er gesteht keinen Fehler ein. Er schiebt seinen Mitarbeitern die Schuld in die Schuhe. Er unterstellt ihnen sogar Diebstahl. Milenovska, Conda und Davidovic sollen Ware im Wert von Tausenden Euro entwendet haben. Vor allem für Snezana Milenovska bricht eine Welt zusammen. Die drei Kassierer schreiben einen Brief an den zuständigen Prokuristen, zuerst keine Reaktion. Als sie einen Anwalt beauftragen, wird schriftlich abgewiegelt: Sie hätten nichts gestohlen, antwortet der Verkaufsleiter in einer Stellungnahme.
Februar, März 2011
Gerüchte wabern durch die Frankfurter Aldi-Märkte. Davidovic und Milenovska werden versetzt, obwohl sie angeblich nicht unter Verdacht stehen, wie ihre Vorgesetzten immer wieder betonen. Aber bis zur nächsten Inventur sollen sie trotzdem mal wegbleiben. Davidovic und Conda werden geschnitten, fühlen sich diskriminiert: «Wir drei, die Ex-Jugo-Truppe, sollen klauen. Das ist die einfachste Erklärung», sagt Conda. Sogar LKW -Fahrer sprechen die drei Kassierer an. Sie suchen einen Fachanwalt für Arbeitsrecht auf, der lange für die IG Metall gearbeitet hat. Er schlägt ihnen vor, einen Betriebsrat zu installieren. Verdi ist außen vor, aber da sie zu dritt sind, können sie laut Betriebsverfassungsgesetz zu einer Versammlung einladen, auf der ein Wahlvorstand gewählt wird. Spätestens damit ist für Aldi das Tischtuch zerschnitten. Milenovska wird in ihrer neuen Filiale isoliert, wohl auf Anweisung von oben. Sie bekommt nicht einmal mehr einen Schlüssel, kann nur auf Nachfrage zur Toilette. Die Kollegen grüßen sie nicht. Sie arbeitet nur noch zwei Tage die Woche, macht viele Minusstunden. Davidovic und Conda, zuvor regelmäßig als stellvertretende Filialleiter eingeteilt, was zusätzliche Einnahmen für sie bedeutete, werden immer seltener für Vertretungen eingesetzt. Sie fallen auf ihr vertragliches Grundgehalt zurück. Das heißt: erhebliche finanzielle Einbußen. Aldi versucht, Conda auf seine Seite zu ziehen. Er solle sich von «dem Anwalt loseisen», dann werde er auch wieder mehr verdienen. Aber der ruhige junge Mann bleibt loyal zu seinen Kollegen.
Ende März 2011
Die Kassierer hängen ein Blatt zur Wahl eines Wahlvorstands in den vier Filialen ihrer Bereichsleiterin auf, für die der Betriebsrat installiert werden soll. Im Hintergrund wird der Ton schärfer, den Mitarbeitern wird eingeredet, was ein Betriebsrat bedeuten soll: weniger Geld, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld, weniger Urlaub, weil mehr Kosten für die Firma. Ein Zeuge erinnert sich: Filialleiter und Bereichsleiter sagten regelmäßig Sätze wie: «Jeder weiß, was er zu tun hat. Sie können hier ganz schnell ohne Job dastehen.»
Anfang April 2011
Fast alle 40
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