Inside Aldi & Co.
Güterverkehr rund 2 , 6 Millionen ab, Aldi Nord 1 , 7 Millionen Euro, wie der
Spiegel
am 30 . September 2012 enthüllte. Zusammen also mehr als vier Millionen Euro Steuergelder, die mit einem billigen Trick abgegriffen wurden.
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Lachen verboten
Die Selbstbedienungsmentalität der Manager
In den Aldi-Märkten wird hart gearbeitet. An der Front wird das Geld verdient. Es gelten strenge Regeln und hohe Standards, vorgegeben von den jeweiligen Regionalzentralen, die sich nur in Nuancen unterscheiden und aus den obersten Gremien stringent gesteuert werden. Über das lockere Leben der Aldi-Prokuristen in den Regionalgesellschaften habe ich bereits berichtet. Am Rande einer Tour durch das Lager erfuhr ich während meiner eigenen Einarbeitung beispielsweise: «Wenn mal eine Packung Rocher fehlt, war es meistens der Geschäftsführer», was ich beinahe noch sympathisch fände, würden nicht rangniedrige Mitarbeiter für solche und viel geringere «Vergehen» fristlos gefeuert. Zwei Beispiele:
«Drei Jahre war ich bei Aldi Nord tätig, musste etliche unbezahlte Überstunden leisten. Vor allem in den Frühschichten habe ich etliche Stunden kostenlos gearbeitet. Als ich Probleme mit dem Rücken bekam, bemerkte ich, wie man mich loswerden wollte. Die Testkäufe wurden häufiger, und schließlich hat mich mein Bezirksleiter erwischt, wie ich einen Kuchen gegessen habe. Ich habe ihn immer zu einer Tasse Kaffee, solange die Kassen noch nicht hochgefahren waren, gegessen und hinterher bezahlt. Das war nie ein Problem, aber dafür hat mir Aldi einen Tritt in den Hintern verpasst und mir fristlos gekündigt.»
«Ich war zwanzig Jahre lang LKW -Fahrer bei Aldi Süd. Den Job habe ich geliebt. Für einen LKW -Fahrer sind die Arbeitszeiten regelmäßig, und die Bezahlung war okay. Als ich in einer Filiale im Hinausgehen, ich hatte den Hubwagen in der linken Hand, eine Traube von der aussortierten Ware abzupfte und mir in den Mund steckte, stand plötzlich ein Verkaufsleiter hinter mir. Ich wurde auf der Stelle entlassen.»
Solche Schilderungen ließen sich beliebig fortsetzen, vermutlich quer durch alle Handelsunternehmen. Die Standards sind, aus verständlichen Gründen, hoch. Ich wusste, dass es in den Zentralen nicht nur um eine Packung Rocher geht, sondern dass hin und wieder «Verkostungen» stattfinden. Aber in welchem Ausmaß sich die Manager selbst bedienen, hat mich dann doch schockiert. Eine ehemalige Sekretärin erzählt:
«Unsere Chefs, die Prokuristen und der Geschäftsführer, bedienen sich grundsätzlich nach eigenem Gutdünken aus dem Lager. Sie essen, wonach ihnen ist. Jeden Mittag lassen sie sich nach vorne in die Büros oder in die Küche liefern, was sie gerade möchten – natürlich ohne auch nur einmal zu bezahlen. Während der langen Pausen unserer Chefs durften wir die Küche nicht betreten. Außer wir mussten ihnen, was öfters vorkam, die Gerichte sogar noch in unserer eigenen Pause kochen. Wir Büromitarbeiterinnen haben ab und zu abgelaufene Ware, die man aber noch essen konnte, serviert bekommen. Und wehe, wir sagten nicht ‹Danke›.»
Diese Gepflogenheiten dürften die Mitarbeitermotivation in der Regionalgesellschaft nicht eben erhöht haben. Überhaupt war die Stimmung, den Angaben der Sekretärin zufolge, eher gedrückt:
«Es gab bei uns nicht viel zu lachen, das war sogar verboten. Unsere Vorgesetzten intrigierten und versuchten, uns jedes Wort im Mund herumzudrehen. Wenn sich mehrere Mitarbeiter zu gut verstanden, war das unseren Chefs ein Dorn im Auge. So hat mir mein Vorgesetzter einmal sogar die privaten E-Mails einer Kollegin vorgelesen, die er gerade entlassen hatte. Er muss sie alle mitgelesen und sich kopiert haben. Er fragte mich dabei, ob es mir hier auch so schlecht ginge. Was sollte ich da sagen? Ich hatte ständig das Gefühl, beobachtet zu werden. Wenn wir etwas ‹Anstößiges› sagten, kam kurze Zeit später oft der Verwaltungsleiter ‹zufällig› zur Türe herein und erkundigte sich nach ähnlichen Themen.
Alle paar Wochen wurde jede von uns ‹Damen›, wir waren ja ausschließlich Frauen, zum Verwaltungsleiter ins Büro bestellt. Er machte uns so lange fertig, bis wir heulten. Erst dann war er zufrieden. Was ich nur für ein schlechter Mensch sei, dass ich keinen Charakter habe, warum mich alle Kolleginnen mies fänden, so redete er auf mich ein. Mit der Zeit lernte ich, dass es am besten ist, schnell zu weinen.»
Eine ehemalige Mitarbeiterin
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