Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
US-Handelskammer starten wollten, suchten sie nach Schwachstellen in der betreffenden Site und veranstalteten regelrecht ein Wettrennen darum, wer am meisten aufdeckte. Topiary wurde ziemlich schnell vernichtend geschlagen. Beide stellten die Seitenadressen zu den jeweiligen Sicherheitslücken in der Site der Handelskammer in den Chatroom. Die Teilnehmer dankten es ihnen jubelnd. Bald verbreitete sich die Kunde, dass der Kern des HBGary-Trios wieder Großes im Schilde führe.
Als Hacker hatten sich die Beteiligten an LulzSec auf ein ganz neues Terrain begeben. Daten stehlen war das eine, dies aber auf Twitter anzukündigen, damit die Presse darüber berichten konnte, war etwas Besonderes. Topiary bot sich an, zu den Veröffentlichungen um Fox und X-Factor eine begleitende Kurzmitteilung zu schreiben, damit nicht nur lange Datenlisten präsentiert würden. Alle stimmten zu. Es war klar, dass Topiary immer die Rolle des Sprachrohrs der Gruppe erfüllen würde. Darüber, wer die Darstellung von LulzSec auf Twitter übernehmen sollte, wurde gar nicht richtig nachgedacht. Es lag auf der Hand, dass Topiary das übernahm. Er veröffentlichte das Statement über die Anwendung Pastebin.
»Hallo, guten Tag, und wie geht’s euch?«, so der Anfang. »Fantastisch! Wir sind LulzSec, eine kleine Gruppe lulziger Individuen, die die Farblosigkeit der Cybercommunity als Belastung für das empfinden, worauf es ankommt: Spaß.« Damit entfernte er sich Welten von den ernsten Ermahnungen, die er in Presseveröffentlichungen von Anonymous geschrieben hatte, von den Vorwürfen an PayPal wegen der »Zensur von WikiLeaks« oder den eindringlichen Warnungen an HBGary, sich »nicht mit Anonymous anzulegen«.
Wenn Anonymous so etwas wie das Nachrichtenmagazin zur Hauptsendezeit war, dann fungierte LulzSec als die Nachrichtensatire dazu: Es veröffentlichte gleiche Inhalte mit einem ähnlichen Verfahren, hob aber hauptsächlich auf Unterhaltung und nicht auf Information oder Mobilisierung ab. Die Leute von LulzSec waren freie Agenten.
Am 7. Mai twitterte Topiary erstmals über LulzSec die Mitteilung, dass Fox.com gehackt worden sei. »Wir veröffentlichen heute Abend die Datenbank zu den Kandidaten von X-Factor «, ließ er wissen und fügte hinzu: »Zwinker, zwinker, doppelzwinker!« Wenige Minuten später legte er los. »Und da ist sie, meine lieben Internet-Folks, die Datenbank zu den Kandidaten von X-Factor 2011 «, twitterte Topiary und fügte einen Link zu einer Torrent-Datei an, die Tflow abgepackt und auf die Website The Pirate Bay gestellt hatte, so wie Monate zuvor die E-Mails von HBGary. Topiary hatte von den Twitter-Nutzern oder Blogs zwar keine sofortige Reaktion erwartet, aber in den nächsten Sekunden, Minuten und sogar Stunden herrschte eine Stille, die unüberhörbar war. Drei Tage später veröffentlichte Topiary vier weitere Pastebin-Seiten der Daten von Fox.com mit einer weiteren fröhlichen Einführung und weiteren Tweets. Zu dieser Zeit nahm kaum jemand von ihnen Notiz. Aber nicht mehr lange.
Kapitel 18: Die Auferstehung von Topiary und Tupac
Topiary ging weiter Google News daraufhin durch, ob Lulz Security oder die geleakten Nutzernamen von Fox und X-Factor erwähnt würden. Wie er feststellte, wurde darauf außer in ein paar Blogbeiträgen von IT-Nachrichtensites kaum verwiesen. Offenbar herrschte vollkommenes Desinteresse.
Wenn eine Einzelperson oder eine Gruppe Tausende von Twitter-Followers hatte, erregte sie bei Bloggern und Journalisten mit höherer Wahrscheinlichkeit Aufsehen und machte am Ende Schlagzeilen. Hier kam Topiarys einfallsreicher Schreibstil ins Spiel, der seinen Schliff vielen Stunden Redaktion für die satirische Website Encyclopedia Dramatica verdankte. Topiary konnte in einer oder zwei Minuten eine Reihe bissiger Kommentare im Jargon der Internet-Subkultur schreiben. Das fiel ihm ganz leicht.
Am Ende des ersten Tages nach Nutzung des Twitter-Accounts von LulzSec, dem 7. Mai, hatte Topiary mit elf Tweets fünfzig Followers angezogen. In augenzwinkerndem, ausgelassenem und respektlosem Ton zitierte er aus Rebecca Blacks billigem Popsong Friday und höhnte über den Twitterfeed von X-Factor : »Wir haben euren Scheiß geklaut und machen ihn demnächst öffentlich! Bedenken?«
Trotz der Beschränkung auf hundertvierzig Zeichen und seines Rufs als Spielzeug für Technikfreaks und die Elite sozialer Netzwerke diente Twitter durchaus auch als wirkungsvolles Kommunikationsmittel. Bei einer
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