Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
Laptopbildschirm mit dem in Echtzeit aktualisierten IRC-Chat zu sehen, dann eine Nahaufnahme von Assange, wieder mit aufgestütztem Kinn, aber diesmal blinzelte er, strich über das Trackpad auf seinem Laptop und sprach dann mit einer Frau neben ihm. Dann wurde die Kamera einmal um Assange herumgetragen, und das Video endete. Das Filmen und Hochladen war in weniger als fünf Minuten erfolgt. Topiary kannte sich mit Photoshop und Bildmanipulation bestens aus und schätzte, dass es extrem schwierig gewesen wäre, den IRC-Chat und Assange in dieser kurzen Zeit in ein und derselben Videosequenz zusammenzuflicken. Er tendierte dazu, das Ganze für echt zu halten.
Aber q verlangte von LulzSec natürlich nicht, dass sie den Auftrags-Hack aus reiner Herzensgüte übernehmen sollten. Beide Seiten sollten aus der Aktion ihren Vorteil ziehen. q bot der Gruppe eine Datentabelle mit geheimen Regierungsdaten an, eine sorgfältig verschlüsselte Datei namens RSA 128, die noch zu knacken war. q schickte sie zwar nicht ab, beschrieb aber den Inhalt.
»Scheint ziemlich schwierig zu knacken zu sein«, meinte Sabu zu q. »Hab ihr es schon mit roher Gewalt probiert?« q erwiderte, sie hätten genau das bereits zwei Wochen lang vergeblich mit Computern vom MIT versucht. Topiary erwog, Assange zu fragen, ob er dem Team noch andere Dinge zur Veröffentlichung überlassen wollte, entschied sich aber dagegen. Eigentlich wollte er die Antwort auf diese Frage gar nicht erfahren. Schon jetzt sah es so aus, als wäre LulzSec auf dem besten Weg, zu einer Black-Hat-Version von WikiLeaks zu werden. Wenn WikiLeaks auf einem Haufen von Geheimdokumenten saß, deren Herausgabe einfach zu gefährlich war, dann besaß es dafür ja nun einen finsteren, bissigeren Cousin, der das übernehmen konnte.
Topiary verriet, dass LulzSec auch für den Angriff auf HBGary verantwortlich war. Assange antwortete, die Aktion habe ihn sehr beeindruckt, merkte aber an: »Das hättet ihr besser machen können. Ihr hättet zuerst alle E-Mails durchsehen können.« »Das hätten wir«, räumte Topiary ein, »aber wir sind keine Leaks-Gruppe. Wir wollten das nur so schnell wie möglich ins Netz stellen.« »Ja, aber ihr hättet es vorher ein bisschen strukturieren können«, meinte Assange. »Wir wollten nicht 75.000 E-Mails nach Anzeichen für Korruption durchsuchen«, erwiderte Topiary. Er erinnerte sich daran, wie er die E-Mails nicht nach Skandalträchtigem durchkämmt hatte, sondern nach dem Liebesbrief von Penny Leavy an Greg Hoglund und nach der World-of-Warcraft-Figur von Barr.
Das Team beschloss, Assange und q auf ihr Netzwerk auf Sabus Server einzuladen. Topiary richtete den Kanal ein, auf dem sie sich alle unterhalten konnten, und gab ihm den Namen #IceLulz. q bedauerte, dass WikiLeaks der Gruppe nicht besser mit Servern oder gar Ratschlägen helfen könne, aber er und Assange wollten keine allzu offensichtliche Verbindung zwischen ihrer Organisation und LulzSec. So kam es, dass q zurückhaltend reagierte, als Topiary meinte, sie könnten ihnen die Datei RSA 128 jederzeit zuschicken.
»Ja«, antwortete q. »Vielleicht in Zukunft, wenn wir sehen, wie das läuft.« Er schickte die Datei aber nie los, jedenfalls nicht an Topiary.
Dennoch war Sabu »so aufgeregt wie nie zuvor«, erinnerte Topiary sich später, hin und weg davon, dass ihn WikiLeaks um Hilfe bat. Es stellt sich die Frage, ob Sabu nicht in Wirklichkeit verzweifelt darüber war, dass er nun auch bei der Anklage gegen Assange half. Sechs Monate vorher hatte er so leidenschaftlich an die Sache von WikiLeaks geglaubt, dass er zum ersten Mal nach neun Jahren das Risiko eingegangen war, seinen Hackernamen öffentlich zu machen.
Eine andere Möglichkeit wäre diese: Das FBI forderte Sabu dazu auf, den Kontakt zu Assange zu intensivieren, um weitere Beweise gegen den vielleicht berüchtigtsten Verräter geheimer Regierungsakten der jüngeren Zeit in die Hand zu bekommen. Wenn Sabu beispielsweise dabei geholfen hätte, die Auslieferung von Assange an die Vereinigten Staaten zu erwirken, dann hätte sich das beim Aushandeln eines gerichtlichen Vergleichs sehr zu seinen Gunsten ausgewirkt.
»Das ist unser größter Augenblick«, meinte Sabu zur Crew. Er und q unterhielten sich noch etwas eingehender über verschiedene Websites, dann schickte Sabu dem Rest der Mannschaft Links zu zwei Regierungs- und einer Firmenwebsite mit dem Auftrag, die Netzwerke zu knacken und sich die E-Mails zu verschaffen. Die Aufgabe,
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