Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
anschließen. Wie wär’s, wenn ich etwas über eine neue AntiSec-Bewegung schreibe, die es auf Regierungen und Banken abgesehen hat? Seid ihr dabei?« Die anderen aus dem Team, auch Sabu, willigten ein. Jetzt, da ein bekannter Name wie WikiLeaks hinter ihnen stand, war es sinnvoll, ihren Aktionen einen ernsten Anstrich zu geben. Topiary schrieb sofort ein neues offizielles Statement, das verkündete, AntiSec würde »ab sofort loslegen«. Die Hackergemeinschaft wurde aufgefordert, sich dem spontan ausgerufenen Cyberaufstand von LulzSec anzuschließen. Am Abend des 19. Juni, einem Sonntag, veröffentlichte er eine Erklärung, in der er White Hats, Black Hats und Gray Hats, ja geradezu jeden aufrief, Teil der Rebellion zu werden.
Später sagte er, beim Verfassen des Textes sei er sich wieder einmal vorgekommen wie ein Romanautor: »Glückwunsch, Lulz Lizards«, hieß es in dem Statement. »Wie allseits bekannt, dominieren und kontrollieren White-Hat-Sicherheitsterroristen überall auf der Welt weiterhin unseren Internet-Ozean … Wir tun uns nun mit Anonymous und sämtlichen befreundeten Schlachtschiffen zusammen … Wir befürworten ausdrücklich die Zurschaustellung von AntiSec bei jedem Defacement einer Regierungswebsite oder in realer Graffitikunst … Hauptanliegen ist das Stehlen und Leaken von geheimen Regierungsinformationen, inklusive E-Mail-Spooling und Dokumentation. Hauptangriffsziele sind Banken und andere hochrangige Einrichtungen.«
Weniger aus wirklichem Interesse an einem Angriff auf Banken und Regierungen, sondern vielmehr gespannt, wie die Leute auf den Waffenruf reagieren würden, postete er die offizielle Erklärung und ging gleich darauf schlafen. In seinem Kopf wirbelte es wild hin und her, nachdem er nun einen weiteren Tag damit verbracht hatte, sich mit den Medien kurzzuschließen, immer wieder sein Kennwort zu wechseln, schnelle Aktionen zu starten und neuen Unterstützern zu antworten. Es gab einen Ansturm von Tweets und Reaktionen – über tausend News- und Blogposts, die über einen Pastebin-Post geschrieben wurden, den er mit Notepad verfasst hatte. Als er und Sabu zum ersten Mal überlegt hatten, das Team wieder zusammenzubringen, hatte er nicht damit gerechnet, eine solche Welle loszutreten. Die Dinge gerieten zwar nicht außer Kontrolle, zumindest bis dahin nicht. Wenn überhaupt, dann spürte Topiary allmählich dieses seltsame, altbekannte Jucken im Hinterkopf. Die Ahnung, dass seine neueste Aktion, das Hackingprojekt LulzSec, seinen Lauf nehmen und lästig werden würde. Es war ein Widerhall der Unruhe, die er vor einigen Monaten mit AnonOps empfunden hatte.
Währenddessen ging Ryan Topiary mit seinen einsamen und verzweifelten Bitten um Aufmerksamkeit immer mehr auf die Nerven. Ein paar Tage zuvor hatte er geschlafen und daher zwölf Stunden nicht am Computer gesessen, und anschließend hatte Topiary auf seinem Laptop mehr als ein Dutzend Nachrichten von Ryan vorgefunden, der immer wieder fragte, warum man ihn denn ignoriere.
Natürlich konnte Topiary die Sache nicht mehr aufhalten. Er war das Hauptsprachrohr von LulzSec und ein wichtiger Motivator für das Team und seine Unterstützer. Jetzt zu gehen wäre ein gewaltiger praktischer und emotionaler Aufwand gewesen.
Schlafen fiel ihm schwer. Topiary hatte sich angewöhnt, aus dem Fenster zu schauen, wann immer er ein Auto vorbeifahren hörte. Im privaten Umfeld sagte er freiheraus, dass er jeden Moment mit einer Razzia rechnete. Am besten fand man sich damit ab. Seine Empfindungen schlingerten von der Hochstimmung über einen wahnsinnigen neuen Leak zu der qualvollen Panik, dass er nun bald gedoxt oder, schlimmer noch, verhaftet würde. Ryan dachte dasselbe. Er gab zu, jeden Abend in der Erwartung schlafen zu gehen, dass am nächsten Morgen ein Durchsuchungskommando vor der Tür stand.
»Ich hab aufgegeben, mir deshalb Sorgen zu machen«, sagte Topiary. Wie stellte er es sich im Gefängnis vor? »Darüber denke ich nicht gern nach«, erwiderte er. Er musste jedoch immer wieder an den zweiten, seltsam formulierten Tweet denken, den Greg Hoglund vor einigen Tagen gepostet und den er erst einmal unbekümmert ignoriert hatte. »Aaron«, hatte Hoglund gesagt. »Ich möchte da sein, um die Früchte von zwei Monaten Arbeit zu ernten. LOL.«
Als Topiary am Montag, dem 20. Juni, aufwachte, erlebte er eine Überraschung. Es hatte eine viel größere Reaktion auf seine AntiSec-Erklärung gegeben, als er erwartet hatte. Zehntausende
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