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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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hatten die Ankündigung gelesen (letztendlich hatten mehr als eine Viertelmillion Menschen die Seite besucht), und die Medien gaben eifrig die Passage wieder, in der es hieß, LulzSec habe sich mit Anonymous verbündet und beinahe allen wichtigen Institutionen den Krieg erklärt, um der Korruption ein Ende zu bereiten. Offenbar liefen sämtliche Cyberanarchisten Amok. An diesem Tag berichteten die CBS-Lokalnachrichten für San Diego von einem rätselhaften schwarzen Graffiti, das an der Strandpromenade von Mission Beach aufgetaucht war: ein grob skizzierter Mann mit Zylinder und Schnurrbart und dem Wort »AntiSec« in einer Sprechblase.
    »Ich war baff«, erinnerte sich Topiary später. »Ich hatte mit Notepad eine AntiSec-Erklärung zusammengebastelt, und kurz darauf gab es ein Riesengewimmel auf den AnonOps-Servern. Das war wie Operation Payback auf Steroiden. Eine Weile fühlte ich mich aus irgendeinem Grund furchtbar schuldig. Diese Erklärung war für mich Fiktion, eben nur ein Text, aber er erreichte so viele Menschen, die es nun ernst meinten. Jemand war sogar rausgegangen und hatte die Strandmauer mit AntiSec getaggt, das war in den Nachrichten zu sehen.«
    Auch Ryan wurde durch die Massenbegeisterung für AntiSec befeuert. Er war erpicht darauf, sein Botnet einem guten Zweck zuzuführen. Noch am selben Tag versuchte er, bedeutende Ziele zu attackieren: das britische Finanzministerium, die Nationale Sicherheitsbehörde NSA, dann das FBI. Schließlich erwischte er erfolgreich die Site der britischen Serious Organised Crime Agengy (SOCA). Er wollte sich alles holen, das auf .mil oder .gov endete. Topiary sah gebannt zu und beschloss dann, dass es besser wäre, Ryan runterzuholen. Er wollte vermeiden, dass die Dinge aus dem Ruder liefen. Trotzdem sollte der SOCA-Treffer für LulzSec verbucht werden, und er verkündete den Hack auf Twitter im gewohnt hochtrabenden Ton: »Tango down – soca.gov.uk – im Namen von AntiSec.«
    Verglichen mit der CIA schien das ein kleiner Fisch zu sein, und es hatte nicht einmal richtig geklappt, denn die SOCA-Site war nur für manche Besucher nicht erreichbar. Kurz darauf aber informierte jemand von der SOCA per E-Mail die London Metropolitan Police, dass die Website manipuliert worden sei. Ryan hatte schon über Monate DDoS-Angriffe von seinem Computer gestartet, nun aber trat zum ersten Mal die Polizei in Aktion.
    Später an diesem Montag, etwa um halb elf abends, als Ryan immer noch daran arbeitete, eine Dienstblockade auf der Website der Serious Organised Crime Agency hervorzurufen, fuhren zehn Polizeiwagen leise vor seinem Haus vor. Die Adresse, die man ihnen gegeben hatte, gehörte zu Ryan Cleary, einem neunzehnjährigen Computer-Nerd, der bei seinen Eltern in einem unscheinbaren Reihenhaus in Essex wohnte. Wie sich herausstellte, waren die personenbezogenen Daten, die Ryan sich angeblich ausgedacht hatte, echt. Er wohnte wirklich an der angegebenen Adresse, und er hatte die ganze Zeit seinen echten Vornamen verwendet. Als die Polizei sein Schlafzimmer betrat, erblickte sie mit Folie abgedunkelte Fenster, ein Einzelbett, einen unordentlichen Schreibtisch voller Chipskrümel und angeblich rund 7.000 britische Pfund in der Schreibtischschublade. Ryan war blass, hatte einen jungenhaften Flaum auf der Oberlippe und wirkte ziemlich ungepflegt. Das letzte Mal war er zu Weihnachten draußen gewesen – vor sechs Monaten.
    Die Polizei verhörte Ryan fünf Stunden lang, dann hieß es, man würde ihn verhaften. Etwa um 2 Uhr morgens loggte er sich bei MSN mit der Bemerkung »leaving« aus. Das war nicht der BRBFBI-Insiderwitz (Be right back, das FBI steht vor der Tür), aber auch nicht die Abschiedsfloskel, die er normalerweise benutzte. Die Polizei brachte ihn am Dienstag in den frühen Morgenstunden zur Charing-Cross-Polizeistation im Zentrum Londons, um ihn weiter zu befragen. Zur selben Zeit saßen FBI-Agenten in einem Flugzeug nach London, und Topiary lag im Tiefschlaf in seinem Bett und bekam nichts von alldem mit.
    Am Morgen verkündete die London Metropolitan Police, man habe einen Achtzehnjährigen festgenommen, der verdächtigt werde, DDoS-Angriffe auf mehrere Organisationen vorgenommen zu haben. Innerhalb weniger Stunden griffen die britischen Boulevardblätter die Meldung auf, gefolgt von großen Medienkanälen in den USA. Obwohl die Polizei in ihrer Pressemitteilung nichts von LulzSec gesagt hatte, berichteten mehrere Zeitungen kurioserweise, der »Kopf« von LulzSec sei

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