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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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ist und anderen Hackern misstrauisch gegenübersteht«. Der Glanz von LulzSec schwand.
    »Das nervt«, beschwerte sich Topiary in einem Interview. »Vor zwei Monaten waren wir ein kleines Team, das ohne Druck von außen an seinen Aktionen arbeitete. Und jetzt kommen andere Leute daher und reden von verfeindeten Gruppen, die Presse verbreitet Dummheiten, man versucht überall Politisches zu sehen, das Ganze ist ein ziemliches Theater und außer Kontrolle geraten.« Selbst der Wikipedia-Eintrag zu LulzSec steckte voller Gerüchte. Die Machenschaften verfeindeter Hacker, Trolle, die Presse und Missverständnisse in der Blogosphäre, all das nahm überhand. Vor kurzem hatte jemand das LulzSec-Logo kopiert, in ein Pastebin-Post eingefügt und behauptet, man habe die Volkszählungsdaten von mehr als 70 Millionen Briten gehackt. Die überregionalen Zeitungen sprachen aufgeregt von einer weiteren konkreten Bedrohung durch LulzSec. LulzSec ähnelte immer mehr Anonymous: Jeder konnte den Namen in Anspruch nehmen und wurde daraufhin ernst genommen. »Alle möglichen Leute geben sich für uns aus«, sagte Topiary. Es reichte nicht, die Trolle zu ignorieren, denn wenn Topiary sich mit seiner Mannschaft in die privaten LulzSec-Chaträume einloggte, konnte er sehen, dass man dort die vergangene Stunde damit verbracht hatte, über Schnüffler und Feinde zu sprechen. Es war oft nicht möglich wegzuschauen. Wenn Topiary den Diskussionen schweigend folgte, fragte ihn Sabu, warum er nichts beitrage, und die Gespräche wurden verhalten.
    Schließlich fasste Topiary einen Entschluss. Am Abend des 24. Juni, einem Freitag, vier Tage nach Ryans Verhaftung, beschloss er, den anderen bei LulzSec mitzuteilen, dass er aussteigen wollte. Es war kein leichter Entschluss, denn wenn er als Sprachrohr von LulzSec ging, löste sich womöglich das gesamte Team auf. Als er LulzSecs privaten Chatkanal betrat, kam Tflow ihm zuvor: »Topiary, AVunit, seid ihr hier?« »Ja«, antwortete Topiary. »Ich muss LulzSec/Anon/etc. eine Weile verlassen«, erklärte Tflow. »Ich muss alles, was mit der Site zu tun hat, euch übergeben, inklusive der Domains.«
    Topiary fühlte sich mit einem Schlag erleichtert. Die Vorstellung, LulzSec zu verlassen, machte alle Befürchtungen vergessen. Es war also möglich, die Sache zu beenden. Er wollte, dass Tflow darlegte, warum er die Gruppe verließ, denn dann gäbe es eine Diskussion, und vielleicht würden auch andere aufhören wollen. »Gibt es einen Grund für deinen Ausstieg?«, fragte er. »Ich will ehrlich sein«, antwortete Tflow. »Die Bullenschweine-Aktion in der letzten Ausgabe, deren Bedeutung ich nicht sofort begriffen habe, hat alles radikalisiert, und das deprimiert mich. Ich brauche eine Pause. Das FBI dreht jetzt eh jeden Stein um. Ich lösche meine Festplatte und fang neu an.«
    Da war er, der Funke Optimismus. Ein Ausstieg würde schwer werden, aber ein Neuanfang hatte etwas Verführerisches. Topiary pflichtete Tflow spontan bei. »Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte er. »Wie du sagst, dieses Theater ist krank … Ein Freund, der nichts mit uns zu tun hat, hat Ryan auf dem Titel von so einem Lokalblatt gesehen. Ich will jedenfalls nicht auf dem Titel eines Käseblatts erscheinen. Und ihr bestimmt auch nicht.« Und er fügte noch hinzu: »Alle unsere Leaks stammen von anderen.« »Du meinst also, wir sollten uns still und heimlich auflösen?«, fragte Tflow. »Wär doch schick, jetzt einfach davonzusegeln und für immer zu entwischen«, sinnierte Topiary. »In zehn Jahren sind wir die genialste Hackergruppe, die es je gegeben hat.« Das war ironisch gemeint, aber der Gedanke, auf dem Höhepunkt aufzuhören wie eine Rockband, die sich auflöst, obwohl sie noch in den Charts steht, erschien eine gute Idee. Ja, er drängte sich geradezu auf.
    Topiary und Tflow besprachen eine letzte brisante Veröffentlichung von Daten, auf denen sie schon seit Wochen saßen. Ein amerikanischer Hacker hatte Tflow gestohlene Unternehmensdaten von AT&T-Servern zukommen lassen. Es ging um Zugangsdaten für einen NATO-Buchladen und andere Logins für .gov- und .mil-Seiten. Tflow hatte gedacht, die AT&T-Dokumente seien eine besondere Veröffentlichung wert, doch »Chinga La Migra« hatte ihn erkennen lassen, wie nichtig diese Dinge waren. »Mir ist alles egal«, sagte er. »Gebt alles raus.« Tflow sah im Kalender nach und merkte, dass der Termin Sinn ergab. »Am Montag sind genau 50 Tage um«, sagte er. Sie könnten die

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