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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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verhaftet worden.
    Als sich Topiary am nächsten Morgen in die privaten Chaträume von LulzSec einloggte, herrschte dort dasselbe ängstliche Geflüster, das schon Sabus Verschwinden begleitet hatte. Langsam begriff Topiary, was sich abspielte. Tflow und Sabu zeigten sich jedoch erleichtert, denn beide hatten gedacht, Topiary sei verhaftet worden. »Ryan hat’s voll erwischt«, sagte Topiary. Er fühlte sich wie taub.
    Irgendwann wurde Ryans Name veröffentlicht, und eine Zeitung machte seine Familie ausfindig. Sie interviewten seine Mutter, die erzählte, wie sie ihm Teller mit Essen vor die Zimmertür gestellt habe, weil er nie herauskam. Einmal habe er sich beinahe umgebracht, weil sie versucht hatte, ihm den Computer wegzunehmen. Man druckte ein Foto von Ryan als rehäugiger Schuljunge ab, zusammen mit einer Aufnahme seines Zimmers. Pfeile und Beschriftungen wiesen auf alle Besonderheiten hin, von der Folie am Fenster bis zum »Teamwork«-Spaßposter an der Wand, auf dem zwei halbnackte Frauen zu sehen waren. Topiary kannte all das aus ihren Videochats. Die Zeitungen hatten keine Ahnung, wie schräg Ryan wirklich war. Auf dem Fensterbrett hatte er im Jahr zuvor Gras gezüchtet. Auf dem Schreibtisch waren kein Müll und keine Chips mehr zu sehen, wahrscheinlich hatte seine Mutter ihn sauber gemacht. Vor einer Woche hatte Ryan noch vor laufender Webcam mit einer Injektionsnadel auf seinen Zeh eingestochen.
    Die Vorstellung, man könne verhaftet werden, wurde immer realer. Sabu und Topiary sprachen sich am Telefon ab. Sie vereinbarten, ihre E-Mail-Adressen zu ändern, genau wie ihre öffentlichen Nicknames und alles andere, von dem Ryan wusste, denn er würde garantiert auspacken. Sie sprachen darüber, dass sie neue Server für ihre IRC-Netzwerke und die LulzSecurity-Website finden müssten. Was ihre öffentliche Selbstdarstellung anging, blieb Topiary gelassen. »Scheint, als ob der glorreiche Anführer von LulzSec verhaftet wurde«, sagte er auf Twitter. »Jetzt ist alles vorbei. Aber halt mal, wir sind alle noch hier! Welches arme Schwein haben die da festgenommen?«
    Eins galt es noch zu erledigen: M_nerva. Sie hatten schon immer gewusst, dass der Hacker, der die #pure-elite-Chatlogs geleakt hatte, mit Ryan zum Geldbeschaffen getrickst hatte. Da Ryan jetzt weg vom Fenster war, gab es keinen Grund mehr, M_nerva zu schonen. Jetzt konnte man endlich Rache üben. Topiary veröffentlichte eine offizielle Erklärung zu Marshall »M_nerva« Webb und adressierte diese als Tipp an das FBI. »Wer verpfeift, wird bestraft«, hatte er geschrieben, nicht ahnend, dass sein engster Vertrauter Sabu ein viel gefährlicherer Spitzel war. Die Öffentlichkeit brannte darauf, den Informanten kennenzulernen, und die Seite bekam innerhalb von zwanzig Minuten mehr als tausend Klicks. Es dauerte einige Wochen, bis das FBI der M_nerva-Information nachging, aber Ende Juni fand eine Razzia in Webbs Haus in Ohio statt.
    Währenddessen gab es 300.000 LulzSec-Followers auf Twitter, mehr als 135 eifrige Leute bei LulzSec Brasilien, Hackergruppen in Spanien und im Iran, die zu gern mitmischen wollten, und ständig neue Angebote, den Inhalt von Datenbanken auszugeben. Man kontrollierte mehrere Dutzend Regierungssites und hatte mehr als 1 Gigabyte Daten zum Veröffentlichen. Dazu gehörten 12.000 Kennwörter von einer NATO-Website, Hunderte interne Polizeidokumente, Regierungsdokumente, ein Video davon, wie die Polizei aus Versehen eine Leiche aus einem Flugzeug fallen lässt, Fotos von menschlichen Fleischfetzen auf dem Straßenpflaster – »/b/ hätte Spaß an den Sachen«, dachte Topiary. Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass noch mehr Aktionen eine noch höhere Gefängnisstrafe nach sich ziehen würden. Er redete sich ein, LulzSec sein nun so etwas wie WikiLeaks und stelle nur Informationen zur Verfügung, die andere weitergegeben hatten.
    Das FBI bemühte sich, mit seinem neuen Informanten Schritt zu halten, der ja Teil dieser schnelllebigen Welt war. Wenn Sabu in geheimen IRC-Meetings Schlupflöcher angeboten bekam, gab er diese an seine Aufseher weiter, damit sie die Sicherheitslücken beseitigen konnten. Sabu zog bei LulzSec geschickt an den Fäden und gab sich als fabelhafter Komplize, während er insgeheim den Behörden half, viele der potenziellen Angriffe zu verhindern. Da alles so rasend schnell ging, hatten Topiary, Kayla, Tflow und die anderen keine Zeit nachzuverfolgen, wie viele Attacken im Sande verliefen – dank

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