Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
»Wir sollen also keine Ziele in UK mehr angreifen, weil ihr Deppen in UK seid, aber Ziele in den USA sind okay, weil ich in den USA bin? Na, vielen Dank auch.« Topiary biss die Zähne zusammen. Er fand, er habe das Recht, sich Sorgen zu machen. Immerhin hatten die Verhaftungen in Großbritannien stattgefunden, wo auch er war. Aber Sabu hielt ihn für selbstsüchtig, weil er britische Ziele vermeiden wollte. »Ich habe dich vermisst, mein Bruder«, fügte Sabu hinzu und bat Topiary um das Passwort für den Twitterfeed von LulzSec. Topiary verriet es ihm nicht und verließ den Chatroom.
Topiary gab es nicht gern zu, aber die Lulz neigten sich ihrem Ende zu. Die Vorstellung war zu Ende, die Beleuchtung im Saal ging wieder an. Als LulzSec sich Ende Juni offiziell auflöste, hatte die Polizei in acht Ländern, darunter in den USA, in Großbritannien, in Spanien und der Türkei, im Zusammenhang mit Aktivitäten von Anonymous und LulzSec neunundsiebzig Verhaftungen vorgenommen. Die meisten Verhafteten waren männlich und durchschnittlich vierundzwanzig Jahre alt. Es hatte nichts genutzt, dass sie in einer Masse agiert hatten. Vierzehn von ihnen, einschließlich der zwanzigjährigen Mercedes »No« Haefer, waren wegen ihrer Teilnahme an den LOIC-Angriffen auf PayPal verhaftet worden und standen dafür vor Gericht.
Gleichzeitig wurden Anonymous und AntiSec vermehrt als Bewegungen wahrgenommen, und die Verhafteten galten als Märtyrer. Die Bedeutung ihrer sinnlosen Streiche war derart übersteigert worden, dass es schon an Größenwahn grenzte. Aber angesichts der harten Realität einer Gerichtsverhandlung erkannten Ryan und seine Leidensgenossen schließlich, auf welch tönernen Füßen alles gestanden hatte. Menschen wie Topiary und sogar William hatten sich 4chan, Anonymous, AntiSec oder LulzSec wegen der Lulz angeschlossen. Sie waren geblieben, weil sie das Gefühl hatten, Teil von etwas Größerem zu sein, das sie nicht in Worte fassen konnten.
Am 27. Juli, sieben Tage nach Tflows Verhaftung, stiegen zwei Beamte der Metropolitan Police aus einem Privatflugzeug für vier Passagiere, das sie für 8.000 Pfund gechartert hatten, und traten vorsichtig die Stahltreppe hinunter auf den Asphalt. Die Sonne schien, und es wehte eine leichte Brise. Sie wurden von örtlichen Beamten der schottischen Polizei erwartet, die nur selten mit Verbrechen zu tun hatten, ganz zu schweigen von einer Gelegenheit, Kollegen aus London zu treffen. Die zwei Beamten aus London stiegen in ein Auto, und die Fahrt führte über die engen, verwinkelten Straßen der Insel.
Topiary war beim Zocken. Er saß in seinem Sessel, den Laptop auf den Knien, und dachte an etwas anderes. Ganz entfernt hörte er ein Auto an seinem Haus vorbeifahren, dann das Quietschen der Bremsen, als es hielt. Dann das Geräusch mehrerer Autotüren, die nacheinander geöffnet und wieder zugeschlagen wurden. Er unterbrach sein Spiel und nahm die Finger von der Tastatur. Er blickte zur Haustür. Sein Herz klopfte. Eine kleine Ewigkeit lang blieb alles ruhig, und Topiary blieb noch einen süßen Moment lang die Hoffnung, das Auto gehöre zu seinen Nachbarn. Dann klopfte es an seiner Tür.
Teil 3: Die Maske fällt
Kapitel 25: Der wahre Topiary
Es mochte Instinkt gewesen sein oder gesunder Menschenverstand. Jedenfalls wusste Jake, dass es die Polizei war, als es an seiner Tür klopfte. Er klammerte sich noch an die Hoffnung, dass die Polizisten nicht seinetwegen hier waren. Wegen all der Junkies gab es ständig Durchsuchungen der Polizei in dieser Gegend. Es war also durchaus möglich, dass es dieses Mal auch so war.
Er öffnete die Tür und stand sechs Menschen in Zivil gegenüber. »Wir sind von der Metropolitan Police«, erklärte einer von ihnen. »Wir haben einen Durchsuchungsbefehl für diese Wohnung.« Immer noch in der Hoffnung, sie könnten nach Drogen suchen, fragte Jake: »Wonach suchen Sie?« »Computerausrüstung.« Jakes Hoffnung zerplatzte. Wenn Aaron Barr sich jemals gewünscht hatte, seine Angreifer mochten dieselbe Angst fühlen wie er ein Jahr zuvor, dann hatte sich dieser Wunsch bei Jake soeben erfüllt. Die Beamten zückten ihre Dienstmarken und wiesen sich aus. »Sind Sie Jake Davis?«, fragte einer. Jake nickte. Sie informierten ihn, dass sie außerdem gekommen waren, um ihn zu verhaften. »Wofür?«, fragte Topiary. »Gemeinschaftlicher DDoS-Angriff auf die Serious Organised Crime Agency.« Topiary erwartete weitere Anklagepunkte, aber es kamen
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