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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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seiner Mutter zu sprechen, die außer sich war vor Sorge. Er sagte ihr, es gehe ihm gut, und bat sie, ihm ein paar Kleider, Bücher und Obst zu bringen. In der Arrestzelle bekam man fast nur Essen, das von irgendeinem Lieferservice stammte: Brathähnchen oder Würstchen mit Pommes.
    Am nächsten Tag stieg eine Frau in braunen Cordhosen und ledernen Flipflops die weiße Steintreppe zur Charing-Cross-Polizeiwache hinauf. Jakes Mutter, Jennifer Davis, hatte dunkelbraunes, leicht rötlich gefärbtes Haar. Sie hatte eine mit Blumen bestickte Stofftasche umgehängt und trug eine große blaue Reisetasche mit Kleidern und Obst, die sie aus Spalding mitgebracht hatte. Sie hatte erwartet, ihren Sohn in wenigen Monaten wiederzusehen, wenn er zu ihr nach England gezogen war; aber nicht so. Aufgrund von Jakes Alter musste bei allen Verhören ein Erwachsener anwesend sein, und so war seine Mutter immer dabei.
    Jake freute sich auf die Verhöre, die sich teilweise über Stunden hinzogen, weil er dafür seine Zelle verlassen durfte. Das Ausmaß und die Genauigkeit der Nachforschungen, die die Polizei über Anonymous und LulzSec durchgeführt hatte, erschreckten ihn. Sie hatten genaue Zeitpläne von Cyberangriffen und Listen von Verdächtigen, die bis ins Jahr 2006 zurückreichten. Oft erstreckten sich diese Aufstellungen über riesige Papierbögen. Erst kürzlich hatte die Regierung zusätzliche Gelder genehmigt, mit denen ein engagiertes Team aus knapp einem Dutzend Ermittlern finanziert wurde, die Anonymous nachspürten. Sie hatten ihn im Zusammenhang mit dem SOCA-Angriff verhaftet und verdächtigten ihn mehrerer weiterer Vergehen. Am Ende erklärte die Polizei, man werde Jake aufgrund der Verhöre und der Beweise, die auf seinem Laptop gefunden worden waren, in fünf verschiedenen Fällen anklagen. Die Polizei verwendete völlig unscheinbare Dinge als Beweis gegen ihn: ein Screenshot seines Browserfensters, das die Seite eines Anbieters von Zehn-Minuten-E-Mails zeigte, ein weiteres Fenster zeigte ein Bild der Nyan Cat. Jake arbeitete mit der Polizei zusammen, wo er nur konnte: Er gab ihnen die Passwörter zum Twitter-Account von LulzSec und alle Daten auf seinem Laptop.
    Die Nachricht, dass die Polizei den mutmaßlichen Verwender des Nickname Topiary verhaftet hatte und in London verhörte, sorgte für Aufruhr unter den Anons. In den Chatrooms von AnonOps überschlugen sich die Gerüchte darüber, was geschehen war. Sabu postete schnell »RIP Topiary« in seinem Twitterfeed, der mehrere Tausend Followers hatte. Eine Verhaftung entsprach in der Welt der Hacker dem Tod. »Ich bin verdammt deprimiert«, sagte er an jenem Tag in einem Interview. Aber das schlug schnell um in Wut auf die Regierungen und wohl auch auf seine neuen Aufpasser. »Das Problem sind nicht die Hacker, sondern die Art, wie unsere Regierungen denken. Sie müssen ihren Wählern beweisen, dass die Regierung gegen bürgerlichen Ungehorsam vorgehen kann.«
    Unklar bleibt, wie die Polizei »Topiary« zu dem gelben Holzhaus auf den Shetlandinseln zurückverfolgen konnte, in dem Jake Davis lebte. Vielleicht mit Sabus Hilfe. Immerhin war der einen Monat zuvor verhaftet worden. Aber das ist nicht die einzige Möglichkeit. Genau wie Sabu hatte auch Topiary nicht immer so viel Vorsicht walten lassen, wie nötig gewesen wäre. Für wenige Sekunden war der Name Jake im Chatnetzwerk von AnonOps aufgetaucht. Es geschah, kurz nachdem Anonymous am 8. Dezember 2010 mit den Angriffen für WikiLeaks begonnen hatte. Jake hatte die Adresse seines Computers hinter zwei oder drei VPNs verborgen. Aber gleichzeitig mit einem temporären Verbindungsfehler seines Breitbandanschlusses brach die Verbindung zu einem seiner VPNs ab, und er war für einen kurzen Augenblick ungeschützt. Er hatte es damals nicht einmal bemerkt.
    Dann gab es Gerüchte, ein Freund von Jake aus der Zeit, als er in den Xbox-Foren herumhing, habe seine Stimme in dem Video mit der Westboro Baptist Church erkannt und über Twitter die Nachricht verbreitet, Topiary sei »Jake aus Shetland«.
    Wahrscheinlicher aber ist, dass die VPN-Firma damit zu tun hatte, an die Jake jeden Monat Geld bezahlte, damit sie seine IP-Adresse verbarg. Sowohl Topiary als auch Sabu hatten den VPN-Provider HideMyAss den Mitgliedern des Kern- und des Unterstützerteams von LulzSec weiterempfohlen, und Topiary hatte einige Hundert Dollar der Spendengelder in sieben Online-Konten investiert. Wenn ein Teammitglied eine zusätzliche VPN brauchte,

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