Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
Woche später loggte Topiary sich wieder im AnonOps-IRC ein und wurde mit fünfzehn privaten Nachrichten überschwemmt. Er wurde über LulzSec ausgefragt, man wies ihn auf Schwachstellen von Websites hin und lud ihn in geheime Kanäle ein. »Scheiße, es ist DER Topiary«, sagte jemand ohne den leichtesten Anflug von Sarkasmus. Die Anons lechzten danach, dass er auf ihre Kommentare und Fragen antwortete, und einige folgten ihm von Kanal zu Kanal. Ein Teilnehmer schickte ihm siebenhundert FBI-Logins. Ein anderer bat ihn um Rat, wie er ein paar Rechtsanwälte fertigmachen konnte. Er wurde bei fünf unterschiedlichen Operationen um seine Mitarbeit gebeten. Alles war noch verrückter als vor seinem Rückzug, auch die Operatoren.
»Topiary, du Wurm. Du Anarchist. Ich liebe dich, Bro«, verkündete der AnonOps-Operator Evilworks. »Ich verwette meinen linken Sack, dass wir von der Regierung geDDoSt werden … Aber eins sage ich dir: AnonOps wird niemals untergehen. NIEMALS!« »Ständig poppten neue Fenster mit privaten Nachrichten auf«, erinnerte sich Topiary. »Manche, die ich im Januar im Schreibkanal kennengelernt hatte, erklärten mir erst, woher ich sie kannte. Dabei erinnerte ich mich sehr gut an sie.« Ein anonymer User zertrümmerte aus lauter Begeisterung sogar seine Tastatur, als Topiary ihm zurückschrieb, mit der Begründung, er habe nicht erwartet, dass »jemand wie Topiary« antwortete. »Ich hatte das Gefühl, als hätte mir jemand das Hirn rausgeblasen. Und das ist noch vorsichtig ausgedrückt.«
Wenn er einen neuen Kanal einrichtete mit einem Namen wie #BananaEchoFortress, waren wenige Minuten später bereits Dutzende Teilnehmer drin, weil so viele /whois-Abfragen mit seinem Nickname durchführten, um herauszufinden, in welchen Kanälen er sich aufhielt. »Ich fragte mich, womit ich diese ganze Aufmerksamkeit verdient hatte«, erzählte er. »Ich bin gar kein besonders guter Hacker, Komiker, Texter oder Designer.« Topiary kam schließlich zu dem Schluss, dass er in der ersten Jahreshälfte 2011 ganz einfach zu den richtigen Zeiten an den richtigen Plätzen gewesen und von den richtigen Leuten unterstützt worden war.
Topiary wollte in nichts mehr hineingezogen werden, aber schließlich stieß er doch auf eine neue Op, bei der er nicht Nein sagen konnte. Einem Hacker, der früher mit LulzSec zusammengearbeitet hatte, war eine Schwachstelle auf der Website von The Sun aufgefallen, der auflagenstärksten Boulevardzeitung in Großbritannien. Die Zeitung wurde vom britischen Medienkonzern News International herausgegeben, der Rupert Murdoch gehörte. Zu der Zeit waren Hackerangriffe überall in den Medien, wenn auch nicht im Zusammenhang mit Computern, sondern mit Telefonen. Berichten zufolge hatten Journalisten der Murdoch-Zeitung News of the World sich ins Telefon einer ermordeten britischen Schülerin gehackt und dann die Ermittlungen behindert, weil sie einige Nachrichten von ihrer Mailbox gelöscht hatten. Die britische Regierung hatte eine Untersuchung in diesem Fall eingeleitet.
Dass Telefone gehackt wurden, war in der britischen Presse ein offenes Geheimnis. Meistens waren die Opfer Promis. Das Wissen darüber, wie man eine fremde Mailbox abhören konnte, war auch in 4chan und anderen Imageboards weit verbreitet: Man wartete einfach auf ein Freizeichen, drückte dann die #-Taste und tippte das übliche Passwort »0000« ein. Aber auf die Nachricht hin, dass Reporter das Telefon einer ermordeten Schülerin gehackt hatten, ging ein Aufschrei der Empörung durch die Bevölkerung. Murdoch würde in Kürze selbst vor einem Ausschuss des Parlaments aussagen müssen; genau der richtige Zeitpunkt, um ihn ein wenig zurechtzustutzen.
Die Hacker, die Topiary bei AnonOps kontaktiert hatten, baten ihn, eine falsche Nachrichtenmeldung zu verfassen, wie er es über Tupac für PBS getan hatte. Es war eine einfache Sache, und Topiary hielt es für eine gute Idee. Er sagte zu. Die Hacker hatten fast vollständig die Kontrolle über theSun.co.uk übernommen, und am 18. Juli brachen sie ins Netzwerk der Boulevardzeitung ein und leiteten jeden Link auf der Website von The Sun auf Topiarys Artikel um. Unter der Überschrift »Leiche des Medienmoguls gefunden« wurde detailliert beschrieben, wie Murdoch tot in seinem Garten aufgefunden worden war. Topiary konnte es sich nicht verkneifen und baute einen Hinweis auf sich und einen der Hacker in den Artikel ein. Er schrieb, Murdoch habe »eine größere Menge Palladium
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