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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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Drahtzieher hinter LulzSec erklärt, und es gab auch keinerlei Erklärung für die Behauptung, Jake sei autistisch. (Was ohnehin nicht zutraf.) Die Medien hatten Topiary vorher so erfolgreich umworben, dass er sie praktisch in der Hand gehabt hatte. Jetzt wendeten sie sich gegen ihn und bedienten fröhlich das Klischee des psychisch gestörten und sozial unbeholfenen Hackers.
    Am folgenden Tag wurde Jake zu seiner ersten Anhörung zum Amtsgericht in Westminster gefahren und stand im selben hell erleuchteten Raum wie Ryan Cleary nur einen Monat vor ihm. Vor dem Gerichtsgebäude richteten Fotografen ihre Teleobjektive auf jeden Polizeiwagen, der hineinfuhr, und fotografierten durch die getönten Scheiben hindurch. Etwa zwei Dutzend Journalisten waren vor Ort, um über den Fall zu berichten, unter ihnen Redakteure des Guardian , der BBC und der Financial Times . Sie standen in Gruppen zusammen und unterhielten sich über die »Seifenoper« mit LulzSec. »Ich glaube, er wird sehr blass und zerzaust sein, dürr oder fett«, vermutete der Technikredakteur des Guardian , der die #pure-elite-Logs veröffentlicht hatte. Dieser Redakteur, Charles Arthur, war einmal Opfer eines Trollangriffs von Topiary geworden. Topiary hatte seine Handynummer getwittert, und in kürzester Zeit hatte Arthur zweihundert Nachrichten auf seiner Mailbox gehabt, bevor sie voll war und Topiary den Tweet löschte. »Wenn sie einfach ein paar Firmen angegriffen hätten, wäre keine große Sache daraus geworden«, dachte Arthur laut über LulzSec nach. »Aber der Angriff gegen SOCA …« Er sprach nicht weiter, sondern zuckte nur mit den Schultern. Was war von solchen Typen schon anderes zu erwarten?
    Im Gerichtssaal rückten die Zuschauer aufgeregt ihre Stühle zurecht, als Jake in die Anklagebank trat. Er trug ein Jeanshemd und hielt ein Buch in der Hand, sein Kopf war gesenkt. Als er dem Richter seinen Namen und seine Anschrift nannte, schaute er sich um. Dann setzte er sich und kratzte sich am Kopf. Er sah zu den Journalisten hinüber, die sich bei dem Versuch, den Titel des Buches in seiner Hand zu entziffern, die Hälse verrenkten, dann blickte er wieder zu Boden. Die meiste Zeit wirkte er ruhig und gefasst.
    »Sir, wir haben es hier offensichtlich nicht mit einem versierten Gewohnheitshacker zu tun«, erklärte Jakes Verteidiger, ein großer Mann mit Brille namens Gideon Cammerman, »sondern mit einem Sympathisanten und Pressesprecher, der nur Daten verwaltete, die andere bei Hackerangriffen erbeutet hatten.« Die Staatsanwältin war eine behäbige Frau in einem dunklen Anzug und hatte eine ganz andere Meinung. Sie sprach den Namen von Jakes Gruppe immer wie »luke sack« aus und forderte, er solle bis auf Weiteres in Untersuchungshaft bleiben.
    Schließlich hatte der Amtsrichter Howard Riddle, ein streng wirkender Mann mit rotem Gesicht und kurzem grauem Haar mit Topfschnitt, genug gehört. Er sah Jake einen Moment lang an, dann wieder die Staatsanwältin. Derselbe Richter hatte vor wenigen Monaten die Auslieferung von Julian Assange an Schweden angeordnet. »Bitte erklären Sie mir doch einmal ganz genau«, sagte er und blickte über seinen Brillenrand, »welcher Art der Schaden war, den er angerichtet hat.« Jakes Mutter verfolgte alles vom Zuschauerraum aus. »Sir, er hat sich Zugriff auf persönliche Informationen von Hunderttausenden von Menschen verschafft«, erklärte die Staatsanwältin mit leiser Stimme und sah zum Richter hinauf. »Patientendaten aus dem staatlichen Gesundheitssystem, Kundendaten von Banken und persönliche Daten von Usern des Systems von Sony Entertainment.« Sie erwähnte die Zehn-Minuten-E-Mail-Adresse auf Jakes Laptop, die passwortgeschützte Festplatte des Computers mit 100 Megabyte und die sechzehn separaten »kleinen Computer«, die unabhängig voneinander arbeiteten. Sie meinte damit seine virtuellen Maschinen.
    Richter Riddle erkundigte sich bei Jakes Anwalt nach dem »Temperament« des Teenagers während der Untersuchungshaft. »Er hat sich immer vorbildlich verhalten«, antwortete Cammerman. Dann ergriff er die Gelegenheit und wies darauf hin, dass Jakes Mutter und Bruder kürzlich nach Spalding in England gezogen seien und noch keinen Breitbandanschluss hätten. Sie hatten überhaupt keinen Internetanschluss. Der Anwalt beantragte, Jake auf Kaution freizulassen. Er sollte bei seiner Familie wohnen, eine elektronische Fußfessel und absolutes Internetverbot bekommen. Jake war seit seinem elften Lebensjahr

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