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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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fast täglich online gewesen. Für jemanden wie ihn war diese Regelung ein kalter Drogenentzug, wie es kälter nicht mehr ging. Aber es war immer noch besser als eine Gefängniszelle.
    Wenige Minuten später hatte sich der Richter entschieden. »Die Beweislage für Ihre Beteiligung an einer Gruppe, die schwerwiegende Straftaten begangen hat, ist eindeutig«, begann er. Jake nickte. »Es gibt nachvollziehbare Argumente, die gegen eine Entlassung auf Kaution sprechen. Für mich wiegen aber andere Gründe schwerer.« Er sah Jake unverwandt an. »Sie sind erst achtzehn Jahre alt. Und Sie sind vorher noch nie straffällig geworden.« Der Richter wirkte zwar sehr streng, aber er ließ Jake gegen Kaution und mit einer Liste von Auflagen frei, die eine Ausgangssperre nach zehn Uhr abends beinhaltete. Ein Polizist legte Jake ein Klemmbrett vor. Jake lächelte ihn vorsichtig an und unterschrieb. »Sie haben sehr viel Glück gehabt«, murmelte der Polizist, als er Jake aus dem Gerichtssaal führte. »Ich hätte nicht gedacht, dass er Sie auf Kaution freilassen würde.«
    Er führte Jake den Flur entlang und in einen kleinen Raum, in dem seine Mutter und ein Mitarbeiter von Cammerman auf ihn warteten. Sie wussten, dass draußen die Fotografen lauerten, und überlegten, auf welchem Weg sie das Gerichtsgebäude verlassen sollten. Der Anwalt berichtete, die Presse warte sowohl am Vorder- als auch am Hinterausgang des Gebäudes darauf, dass Jake herauskam. Vorne standen die meisten Kameras, aber zumindest waren sie dort sofort an einer Hauptstraße, wo ein schwarzes Londoner Taxi bereitstand. Wenn sie den Hinterausgang nahmen, mussten sie erst ein Stück gehen und nach einem Taxi suchen. Dadurch liefen sie Gefahr, auf noch mehr Reporter zu treffen. Jakes Mutter entschied, sie sollten gemeinsam als Familie den Vorderausgang nehmen.
    Die Hände in den Taschen und sein Buch unter den Arm geklemmt, ging Jake durch den hellen Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes und blieb am Haupteingang stehen. Durch die Fenster sah er, was für ein schöner Tag heute war. Sonnenlicht tanzte über den Gehsteig und durch das grüne Laub riesiger Bäume auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Am Fuß der Vordertreppe drängten sich im Halbkreis Fotografen und Kameraleute und warteten auf ihn. Aus dem Inneren des Gebäudes beäugte Jakes Mutter die Menge misstrauisch. Jake setzte eine Sonnenbrille auf, die seine Mutter ihm mitgebracht hatte, damit niemand sah, dass er schielte. »Sollen wir?«, fragte sie. »Okay.« Er atmete noch einmal tief durch, als sich die Glastür öffnete, und trat nach draußen.
    Der dunkle Knäuel von Fotografen explodierte in Blitzlichtern, doch es blieb unheimlich still. Niemand rief, kaum jemand sprach. Die einzigen Geräusche kamen von den vorbeifahrenden Autos und dem Rauschen des Windes in den Blättern der Bäume. Jake zuckte zusammen, als sie am Fuß der Treppe ankamen und die Menge sich um sie drängte. Er bewegte sich langsam in Richtung des Taxis, das auf der anderen Straßenseite auf sie wartete. Die Blitzlichter der Kameras blitzten direkt vor seinem Gesicht auf. Kurz darauf begannen die Fotografen, Jakes Namen zu rufen, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie wussten, dass in der Nähe ein Taxi wartete und ihnen nur wenig Zeit blieb. »Jake! Jake!« Charles Arthur vom Guardian drängte sich zwischen die Fotografen und versuchte, Jake auf sich aufmerksam zu machen. »Was ist das für ein Buch?« Jake blieb stehen und sah ihn an. Dann hielt er das Taschenbuch hoch, das er in der Arrestzelle gelesen hatte, sodass es alle sehen konnten. Die Kameras blitzten und klickten hektisch. Der Titel des Buchs lautete Free Radicals: The Secret Anarchy of Science (Freie Radikale: Die geheime Anarchie der Wissenschaft). Es handelte davon, dass Wissenschaftler bereit waren, alles zu tun, auch zu lügen, zu stehlen oder zu betrügen, um neue Entdeckungen zu machen. Jake blickte durch seine Sonnenbrille in eine Kamera und lächelte kaum wahrnehmbar zum ersten Mal.
    Nach seinem Auftritt vor Gericht stieg Jake in einen Zug nach Nordengland und fuhr zu dem Haus, in dem er ab sofort mit seinem jüngeren Bruder, seiner Mutter und deren Lebensgefährten wohnen sollte. Die Polizei legte ihm eine elektronische Fußfessel an, durch die sie sofort aufmerksam gemacht würde, wenn er die Ausgangssperre nicht einhielt. Er hielt sich strikt an diese Auflage. Jake fürchtete so sehr, gegen seine Kautionsauflagen zu verstoßen, dass er sich sogar

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