Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
Telefonnummer und Hotmail-Adresse der sechzehnjährigen Selena aus Texas gepostet mit dem Zusatz: »Macht diesem Mädchen das Leben zur Hölle. Sie ist eine Schlampe.« William rief ihr Facebook-Profil auf und sah, dass sie über dreitausend Freunde im Netzwerk hatte. Er beschloss, ihren Account zu hacken.
Er notierte sich Selenas E-Mail-Adresse auf einem Stück Papier, ging auf die Hotmail-Seite und klickte auf den Link für »Können Sie nicht auf Ihr Konto zugreifen?«, dann drückte er auf »Kennwort zurücksetzen«. Er gab Selenas E-Mail-Adresse ein und beantwortete dann Selenas Sicherheitsfrage: »Wie ist der Name der Heimatstadt Ihres Vaters?« Auf Selenas Facebook-Seite stand, dass ihre Familie im texanischen Joshua lebte, und das war auch die korrekte Antwort. Dann wurde er gefragt: »Welchen Beruf hat Ihr Großvater?«
William seufzte. Er meldete sich in einem seiner erfundenen Facebook-Profile als Chrissie Harman an und schickte Selena eine direkte Nachricht. »Ein paar Hacker sind hinter dir her«, schrieb er, ohne sich auch nur vorzustellen. Als Beweis fügte er einen Screenshot des Threads von /b/ mit ihren Kontaktdaten ein. Er sei Mitglied dieser frei erfundenen Hackergang, schrieb William, und sie seien gefährlich. Gegen Bezahlung sei er bereit, ihr zu helfen.
»Was willst du dafür?«, fragte Selena ängstlich. »Mach ein Foto mit Zeitstempel von dir mit einem Schuh in der Hand.« Früher hatte er Nacktfotos verlangt, aber inzwischen hatte er so viele davon, dass es ihm den Aufwand nicht mehr wert war. Und tatsächlich schickte Selena ihm nur wenige Minuten später ein Selbstporträt. Ein erster kleiner Sieg für William.
»Okay, jetzt stelle ich dir ein paar Fragen, um deinen Account sicherer zu machen«, log William. Er hätte einfach sagen können, sie solle ihre Sicherheitsfragen löschen. Stattdessen bediente er sich einer beliebten Social-Engineering-Taktik: Er bombardierte sie mit völlig sinnlosem Fachchinesisch über »randomisierte Antworten«, »Server« und »einen Database String Input«. Mit genügend Fehlinformationen konnte man ein Opfer davon ablenken, was man in Wirklichkeit herausfinden oder verbergen wollte. »Wähle eine Zahl zwischen 1 und 100«, forderte er sie auf. »Wie lautet der zweite Vorname deiner Mutter? Meine heißt Deborah.« Nach jeder Antwort sagte er: »Ja, das eignet sich sehr gut.«
Dann fragte er: »Welchen Beruf hat dein Großvater?« »Öl«, antwortete sie. William öffnete sein anderes Browserfenster und tippte bei Hotmail Öl ein. Nichts. Er versuchte es mit Ölarbeiter, Öltechniker, Ölmanager . Alles falsch. Er musste es anders versuchen. »Okay, jetzt wird es ein bisschen technisch, aber mach dir keine Sorgen«, sagte William. »Dadurch wird es absolut sicher. Wenn wir hier fertig sind, bist du für immer unhackbar.« Er fragte Selena, wie viele E-Mail-Accounts sie habe und wie lang ihre Passwörter durchschnittlich seien. Dann bat er sie, ihr Hotmail-Passwort rückwärts einzutippen. »Hier ist meins«, bot er an und tippte einen Zeichensalat ein. Selena zögerte, dann tippte sie ihr Passwort ein.
Wenige Minuten später war William in ihrem E-Mail-Account, und mit wenigen Schritten hatte er auch das Passwort ihres Facebook-Accounts geändert. Die ganze Zeit über stellte er ihr weiter Fragen, damit sie nicht misstrauisch wurde. Bevor sie auf seine letzte Frage antworten konnte, griff er auf ihre Kontoeinstellungen zu und loggte sie aus. Er änderte die Sicherheitseinstellungen für seinen Online-Zugang, um seine IP-Adresse zu verbergen, dann änderte er ihr Passwort ein zweites Mal. Er ging zurück auf /b/.
Er startete einen neuen Thread, fügte einen Link zu Selenas Facebook-Profil ein und verkündete: »Ich habe den Account des Mädchens geknackt. Bin offen für Vorschläge, was ich damit anfangen soll.« Ein Leser schlug vor, William solle sich mit Selenas Freund unterhalten, einem Jungen namens James Martinez. William gefiel die Idee. Er änderte Selenas Beziehungsstatus von »in einer Beziehung« zu »Single« und schickte dann ihrem Freund James eine Nachricht. »Oje, ich habe uns aus Versehen zu Singles gemacht«, beichtete er ihm als Selena. »Gibst du mir dein Passwort, damit ich mich in deinen Facebook-Account einloggen und unseren Beziehungsstatus wieder bestätigen kann?« James war einverstanden. Aber das Passwort boobies1, das er schickte, funktionierte nicht.
Genervt überließ William es einem anderen Komiker auf /b/, sich um
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