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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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lustige Seite der Sache. Jake traf sich mit mehreren anderen Usern in einem separaten Chatroom; die Gruppe beschloss, unter dem Namen @basementdad einen fiktiven Twitter-Account für Fritzl einzurichten. Das Ziel war, über 1 Million Followers zu gewinnen, und zwar noch vor dem Schauspieler Ashton Kutcher und dem Nachrichtenkanal CNN, die damals die heißesten Kandidaten dafür waren. Weniger als 24 Stunden nach seiner Initiierung und der Bekanntgabe auf 4chan, der Medienseite eBaum’s World und in anderen Foren hatte der Account schon fast 300.000 Followers. Als Twitter auf den Coup aufmerksam wurde und den Account löschte, waren es schon fast 500.000. Laut Jakes Berechnungen hätten sie das Rennen gewinnen können.
    Solche Streiche waren auf 4chan leicht zu organisieren. Die Foren der Seite wurden inzwischen von Millionen Usern frequentiert; alleine auf /b/ wurden täglich bis zu 200.000 Posts eingestellt. Die Diskussionsthreads veränderten sich so schnell, dass eine sinnvolle Unterhaltung schließlich unmöglich wurde. Schlussendlich blieb kein Weg mehr, als die Raids stattdessen über Internet Relay Chat (IRC) zu organisieren.
    IRC war ein einfaches Echtzeit-Chatsystem, das 1988 von einem Programmierer namens Jarkko »WiZ« Oikarinen geschrieben worden war. (Oikarinen arbeitet heute bei der schwedischen Niederlassung von Google.) Im Jahr 2008 hatte es bereits mehrere Millionen Nutzer. Man musste keinen Account einrichten wie bei MSN oder AOL Instant Messenger, sondern brauchte nur ein Programm, einen sogenannten IRC-Client, das die Vielfalt der verfügbaren Netzwerke zugänglich machte. Heute gibt es Hunderte von IRC-Netzwerken, einige davon spezifisch für bestimmte Organisationen wie WikiLeaks. Eines der ältesten und ein Favorit altgedienter Hacker wie Sabu ist EFnet. In jedem Netzwerk gab es Dutzende, mitunter Hunderte separater Chatrooms, sogenannter »Kanäle«. In manchen Kanälen war nur ein anderer Teilnehmer eingeloggt, in anderen Tausende. Meistens waren es zwischen fünf und fünfundzwanzig Nutzer. Man konnte ganz einfach hineingehen und mit den Menschen reden.
    IRC war allerdings mehr als nur einer der üblichen Chatrooms. Das System war auf technisch versierte Nutzer ausgerichtet, die mit einer langen Reihe spezieller Befehle nicht nur von einem Kanal zum anderen gelangen, sondern auch das Netzwerk selbst manipulieren konnten. Der Befehl /whois sagt zum Beispiel, in welchen anderen Kanälen eine bestimmte Person aktiv ist und wie ihre IP-Adresse lautet. Eine Unterhaltung begann etwa so: »msg topiary Hey, wie geht’s?«
    Je nach IRC-Programm, das man installiert hatte, gab es neben dem Dialogfenster oft eine Liste der angemeldeten Teilnehmer. Besonders hervorgehoben waren dabei die Moderatoren. Sie hatten die Macht, jemanden hinauszuwerfen, wenn er zum Beispiel KOMPLETT IN GROSSBUCHSTABEN schrieb oder sich sonst ungebührlich aufführte. Der IRC-Jargon war voller Abkürzungen wie rofl (»rolling on the floor laughing«, wälzt sich vor Lachen auf dem Boden), lol (»laughing out loud«, lacht laut auf) und ttyl (»talk to you later«, wir sprechen uns später wieder). Genau wie bei 4chan entwickelte sich allmählich eine eigene Kultur und Ausdrucksweise.
    Hatte man sich in ein Netzwerk eingeloggt, konnte man sich auch einfach einen neuen IRC-Kanal schaffen. Man brauchte nur /join #(Name des Kanals) einzutippen, und der eigene Chatroom war fertig. Wenn Jake einen neuen Raid wie zum Beispiel die Operation Basement Dad plante, legte er immer einen neuen Chatroom an – in diesem Fall opbasementdad – und lud einige Freunde zum Mitmachen ein. So konnten sich die Interessierten ungestört treffen, Ideen austauschen und den Raid planen.
    War dann der Plan fertig, gingen sie zurück auf 4chan und setzten /b/ als Rekrutierungsplattform ein, um Teilnehmer für den Raid anzuwerben. Ein neuer Thread wurde gestartet und mit der Nachricht »Kommt alle hier rein« überschwemmt. Die Nachricht hatte einen Link, der die /b/-User zum neuen IRC-Kanal führte. Bald sammelten sich Dutzende, mitunter Hunderte Teilnehmer im Chatroom, lasen die Anweisungen oder warfen eigene Ideen ein. Anonymous war ursprünglich in Foren wie 4chan entstanden, aber in den IRC-Netzen kam es zur Reife. Die Gruppe organisierte sich immer besser. Obwohl in IRC-Chatrooms Spitznamen geduldet waren, verbreitete sich die Anonymität, wie sie in den Foren üblich war, auch hier. Es gab individuelle Persönlichkeitszüge, aber keine

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