Inside Polizei
Schützenfestprügeleien, die für viele Betroffene mit dem sprichwörtlichen blauen Auge, aber für alle Beteiligten ohne juristische Konsequenzen endeten.
Von diesem Lebensabschnitt war nun zehn Jahre später nichts mehr übrig. Christians »Sturm-und-Drang-Phase« gehörte der Vergangenheit an, und er hatte sie beruflich unbeschadet hinter sich gelassen. Doch dieser Phase seiner späten Jugend verdankte er einer Reihe von interessanten Gesprächen und Bekanntschaften, auch hier im Boxclub. Sein Wissen über Kriminalität und das Rotlichtmilieu überstieg das seiner meisten Kollegen um ein Vielfaches. Er wusste, wem welcher Puff gehörte, wer dort an der Tür stand und wer zu Hilfe eilen würde, falls die Jungs vor Ort nicht mit irgendwelchen Angreifern zurechtkämen. Es kursierten Dutzende Storys über heftige Revierkämpfe und Schlägereien im Milieu, von denen die Justizbehörden nichts wussten. Denn Polizei wurde nie gerufen, die Streitigkeiten regelte man untereinander. Die neuesten Vorkommnisse des jeweiligen Wochenendes wurden dann dienstagabends an der Boxbirne von Boxer zu Boxer weitererzählt. Manchmal bekam Christian davon nichts mit, doch oft wurde er in den Kreis der Eingeweihten miteinbezogen und lauschte dann andächtig dem Erzählten. Ganz besonders scharf war er darauf, etwas über Begebenheiten zu erfahren, die die neuen großen Spieler im Milieu, die Hells Angels, betrafen. Von dem mächtigen Präsidenten der Angels in Hannover, Frank H., sprachen die Anwesenden nur mit Hochachtung.
Die vier Männer verband schon ihr halbes Leben eine Freundschaft, auch jetzt, da ihre Polizeikarrieren sie auseinanderrissen, blieben sie in Kontakt. Die Abstände für ein Treffen auf ein Bierchen und Wodka vergrößerten sich zwar von Jahr zu Jahr, aber sie hielten diese lieb gewonnene Tradition aufrecht. Denn sie waren sich in vielem sehr ähnlich, stellten zu gerne Blödsinn an, lachten gemeinsam und waren von zahlreichen Erlebnissen untrennbar zusammengeschweißt worden. Auch Christians Freunde gehörten nicht zu der Beamtenfraktion des Polizeidienstes, von denen es auf den Fluren der Polizeipräsidien nur so wimmelte. Viele dieser Prototypen des Polizeiapparates würden für eine Anstellung als Beamter auf Lebenszeit auch Akten im Ordnungsamt oder sonstigen Behörden sortieren. Aber die vier Freunde nicht. Sie zog es auf Deutschlands Straßen, um etwas zu sehen, Abenteuer zu erleben und diese zu meistern.
Markus war 38 Jahre alt, in zweiter Ehe verheiratet, natürlich beide Male mit einer blonden Kollegin, hatte zwei Kinder und war zurzeit der Ermittlungsgruppe Rauschgift zugewiesen. Ralf, 41 Jahre alt, war von einer Kollegin geschieden, hatte zwei Kinder und war in führender Position im Wach- und Wechseldienst tätig.
Christian, 39 Jahre alt, war seit acht Jahren mit einer Grafikerin verheiratet, die in einer Werbeagentur arbeitete, und war der Einzige von ihnen, der seine Frau nicht im Kollegenkreis gesucht und gefunden hatte. Er hatte gerade etwas entmutigt eine einjährige Abordnung im Bereich islamistischer Gefährder beendet und wurde nun erst einmal gegen seinen Willen in der Einsatzhundertschaft verwendet.
Dazu gesellte sich noch Uwe, 38 Jahre alt, Angehöriger eines Spezialeinsatzkommandos und ein notorischer Frauenheld.
Bei einem der vergangenen Behördenfeste, die alljährlich im Gebäude des Landgerichtes mit viel Alkohol gefeiert wurden, hatte er sich wieder einmal richtig ausgelebt. Eine hübsche Justizhelferin, ausgestattet mit einem spektakulären Knackarsch, konnte und wollte zu vorgesetzter Stunde nicht die Finger von ihm lassen. Sie war zwar verheiratet, aber offenbar nicht heute Nacht. Da Uwe keinen ruhigen Platz für ihr Tête-à-Tête fand, improvisierte er ein wenig, brach kurzerhand die verschlossene Tür zum großen Strafkammergerichtssaal auf und vergnügte sich mit seiner Eroberung auf dem Richtertisch. Das zurückgelassene benutzte Kondom ließ am nächsten Tag keinen Zweifel an dem Grund des Eindringens. Doch der Gerichtsaal war nicht der einzige Kollateralschaden dieser Nacht, zahlreiche zerschlagene Gläser und Flaschen blieben auf den Fluren der Justizbehörde zurück. Betrunkene, feiernde Polizisten kannten wie schon so oft kein Limit. Der interne Behördenskandal folgte, und die Telefone der eingeladenen Behördenleiter glühten. Der erste Verdacht fiel sofort auf die Männer des Spezialeinsatzkommandos und der Einsatzhundertschaft, aber welch Wunder, niemand hatte etwas
Weitere Kostenlose Bücher