Inside Polizei
hingewiesen. Der Kampf über die kriminelle Vorherrschaft im Rockermilieu wurde bis nach Norwegen ausgefochten.
Die Hells Angels herrschten seit der Gründung ihres ersten Charters am Neujahrsabend 1980 in Kopenhagen über Dänemark. Mit der internationalen Bruderschaft im Rücken stellten sie die bereits bestehenden Rockerclubs getreu ihrer Devise ›We are the best – fuck the rest‹ vor die Wahl: unterordnen, auflösen oder gegebenenfalls eine Aufnahme bei den Höllenengel. Die Hells Angels wuchsen daraufhin rasant und bauten ihre Monopolstellung in ganz Skandinavien aus. Bis 1993 die rot-weiße Welt einen herben Dämpfer erhielt. Denn der Motorcycle Club Morticans und die Angels, die über viele Jahre freundschaftlich verbunden gewesen waren, verkrachten sich. Aber nicht nur das, die einstigen Weggefährten knüpften Kontakte zu dem damals einzigen in Europa existierenden Chapter des Bandidos MC in Marseille, des ewigen weltweiten Rivalen. Kurze Zeit später kam es zum Patchover, und sie traten nun als Bandidos MC Denmark in Erscheinung.
Doch für zwei internationale Bruderschaften, die nach Macht, Einfluss und Geld strebten, schien selbst ganz Skandinavien zu klein zu sein. Der Krieg begann in Schweden. Ein starker etablierter Club, der Morbids MC, stand ebenfalls kurz vor dem Wechsel zu den Bandidos. Dies versuchten die Hells Angels MC Sweden jedoch mit allen Mitteln zu verhindern. Die ersten Schüsse fielen dann im Januar 1994 auf das Vereinshaus des abtrünnigen MC. Es folgten zahllose Schießereien mit Toten und Verwundeten auf beiden Seiten. Maschinengewehre und Panzerabwehrraketen kamen zum Einsatz, und es wurden auch Bombenanschläge auf Vereinsheime, Bars und Autos der Rocker verübt. Der Rockerkrieg reichte sogar bis in die Staatsgefängnisse. Einem inhaftierten Bandido wurde eine Handgranate in die Zelle geworfen, er überlebte nur schwer verletzt. 1997 schossen Unbekannte mit einer Panzerabwehrrakete vom gegenüberliegenden Dach eines Mietshauses ebenfalls in die Zelle eines Bandidos in Dänemark. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten, denn ein Clubhaus der Hells Angels wurde Ziel eines Raketenanschlages.
Erst als der polizeiliche Ermittlungsdruck immer weiter anstieg, schlossen beide Seiten öffentlich wirksam Frieden. Nachdem der Pulverdampf verflogen war, wurde Bilanz gezogen. Es waren elf Tote und 96 Verwundete zu beklagen. Durch Vermittlung eines in der Szene verwurzelten Rechtsanwaltes reichten sich die verfeindeten Präsidenten beider Clubs schließlich vor den Fernsehstationen Skandinaviens symbolträchtig die Hände. Kommt euch dieses Prozedere nicht bekannt vor?«
Christian: »Ja, die Parallelen springen einem geradezu ins Auge, obwohl in Deutschland selbst Rocker zivilisierter Krieg führen. Auf Bombenanschläge und Panzerabwehrraketen verzichteten Hells Angels und Bandidos bisher, aber Tote gab es ja durchaus auch schon zu beklagen. Was mich an dieser medialen Inszenierung wunderte, war die Selbstverständlichkeit, mit der die Mitwirkenden vorgaben, einen deutschlandweiten Rockerfrieden beschließen zu können. Sonst achtet jedes Charter und Chapter penibel darauf, als eine völlig autarke, autonome Einheit zu fungieren. In Interviews führender Köpfe sprechen diese bei kriminellen Handlungen von Mitgliedern stets von Einzeltaten und der Eigenständigkeit der 48 deutschen Hells Angels Charter – von denen zurzeit fünf mit einer Verbotsverfügung der Innenbehörden belegt sind. Wie passt das zusammen? Wie kann der Hannoveraner Präsident, auch wenn dieser das weltweit zahlenmäßig stärkste Charter anführt, das nach Quellen des LKA inzwischen über 60 bis 70 Vollmitglieder verfügt, für das ganze Land einen Frieden verkünden? Bedeutet dies im Umkehrschluss nicht auch, er könnte jederzeit einen landesweiten neuen Rockerkrieg ausrufen? Diese gemeinsame Willens- und Interessenvertretung aller deutschen Höllenengel in der Kanzlei seines Haus- und Hofanwalts deutet doch auf eine streng hierarchische bundesweite Organisationsstruktur der Rocker hin. Eine Organisationsform, die aber stets bestritten und scharf dementiert wird. Den taktisch denkenden und agierenden Rockerführern ist bewusst, wie heikel und gefährlich ein staatlicher Beweis dieses Umstandes wäre. Es würde den Strafverfolgungsbehörden nämlich eine Reihe von gravierenden Maßnahmen ermöglichen. Maßnahmen, die schon seit geraumer Zeit verdeckt vorbereitet werden und trotz aller juristischen Hürden in
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