Inside Polizei
gesehen oder gehört. Doch diesmal verpuffte die Empörung in den endlosen Fluren der Behörden nicht folgenlos. Denn das Landgericht sagte das beliebte und immer gut besuchte Behördenfest für das nächste Jahr ab. Es dauerte eine Zeit, bis es schließlich gelang, etwas Vergleichbares auf die Beine zu stellen. Da sämtliche Behörden sich aber rundweg weigerten, ihre Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, wurde ein größeres Gastronomieobjekt für die Feierlichkeiten angemietet. Die Jungs zogen Uwe noch heute nur zu gerne damit auf, dass er der Auslöser für den erzwungenen Ortswechsel gewesen war.
Heute war es wieder einmal so weit, die vier Freunde trafen sich und hatten ihre Dienstpläne so eingeteilt, dass morgen ein freier Tag auf sie wartete. Heute konnte also getrunken werden. Nach dem Austausch von ersten Frotzeleien und den neuesten Sexeskapaden wechselte das Gesprächsthema auf die Hells Angels, das hohe Einsatzaufkommen in diesem Bereich und die mediale Berichterstattung. Uwe verfügte als SEK-Mitglied und durch seine guten Verbindungen zu Spezialeinheiten in Niedersachsen über sehr fundierte Kenntnisse in diesem Bereich.
»Im Landeskriminalamt ist die Hölle los, die kennen nur noch ein Thema: Hells Angels, Hells Angels und Frank H. Sämtliche Manpower und Budgets werden in diesen Bereich geworfen. Man könnte fast meinen, dass einige Landeskriminalämter schlichtweg die Existenz der italienischen oder russischen Mafia verleugnen. Auch islamistische Gefährder mit Al-Qaida-Kontakten in Deutschland und kriminelle türkisch-arabische Familienclans scheinen für sie nicht mehr vorhanden zu sein. Auf den Gängen dominiert ein Thema jegliche andere polizeiliche Arbeit. Der derzeitig einzig intensiv verfolgte Auftrag scheint es zu sein, den größten und mächtigsten Charter Deutschlands und auch mittlerweile weltweit, den Hells Angels Motorcycle Club Hannover, zu zerschlagen. Dazu gehört, Nachweise und gerichtsfeste Beweise über eine Betätigung und Straftaten des Hannoveraner Charters im Bereich der organisierten Kriminalität zu sammeln, was letztlich zur Überführung, Inhaftierung und Verurteilung der führenden Member, insbesondere des Präsidenten Frank H., führen soll. Der Fokus der Ermittlungen liegt dabei auf einer Offenlegung der vermuteten Verbindungen der Hells Angels Hannover zur organisierten Kriminalität (OK). Dies wäre der erste Schritt für eine Verurteilung einzelner Mitglieder des Charters nach § 129 Strafgesetzbuch: Bildung einer kriminellen Vereinigung. Sollten Schuldsprüche nach diesem Paragrafen gelingen, würde dies die Voraussetzung für ein Clubverbot durch die Landesinnenminister deutlich erhöhen.
Ihr wisst ja, wie es sich gehört, gibt es auch für den OK-Bereich in Deutschland eine genaue Definition gemäß der gemeinsamen Arbeitsgruppe Justiz/Polizei von 1990. Mal schauen, ob ich die noch hinbekomme. Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- und/oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder unter Einflussnahme auf Politik, Massenmedien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.
Im direkten Gespräch machen die Jungs vom LKA keinen Hehl mehr aus ihren Vorgaben. Dieses Verbrechen sollte im besten Fall auf dem Haftbefehl von Frank H. stehen!«
»Sie fordern also seinen Kopf!«, warf Christian ein.
»Genau. Der Hannoveraner Präsident ist zu einem Symbol herangewachsen. Zu einem Symbol von organisierter Kriminalität, Macht und Einfluss. Diese Machtstellung hat sich der ehemalige Profiboxer zielstrebig, planvoll und mit aller ihm zur Verfügung stehenden Gewalt bereits seit den 90er-Jahren aufgebaut. Er hat sich durch nichts abschrecken lassen, weder durch Herausforderungen und Drohungen seiner Rivalen noch durch staatliche Repressionen. 2001 rückte ihn die Staatsanwaltschaft Hamburg bereits mit einer Anklage in die Nähe der organisierten Kriminalität. Die Justizbehörden warfen ihm damals vor, die Übernahme von Bordellen und Amüsierbetrieben auf der Hamburger Reeperbahn betrieben zu haben. Der Anklagevertreter forderte eine erhebliche Haftstrafe und die Abschöpfung von 850 000 Euro illegaler Bordellgewinne. Am
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