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Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)

Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)

Titel: Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wehrheim , Michael Gösele
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Aber auf alle weiteren Nachfragen war die gutmütige Tante nicht vorbereitet:
    »In welcher Stückelung haben Sie Ihrem Neffen die 100 000 denn übergeben?«
    Das wusste die Dame nicht mehr.
    »Wie haben Sie das Geld übergeben?«
    »In einem Umschlag.«
    »Wie groß war der Umschlag?«
    Daran konnte sich die einfache Frau nicht mehr erinnern – als ob sie so etwas häufig machen würde.
    »Von welchem Konto ging das Geld denn ab?«
    Sie erklärte, sie hätte kein Zutrauen in Banken und hätte das Geld im Haus versteckt.
    »Wie kommen Sie zu so einem hohen Betrag?«
    »Gespart.«
    »Und was, wenn Sie nun unverhofft Geld brauchen? Was tun Sie dann?«
    Die Dame stand auf, öffnete einen Schrank im Wohnzimmer und hielt uns ein Sparbuch entgegen. Ich öffnete das Büchlein und entdeckte zu meinem Erstaunen ein Guthaben in Höhe von 350 000 Mark.
    »Sie sind ja eine wohlhabende Frau«, entgegnete ich der Dame, die in Sekundenschnelle errötete. Sie riss mir das Sparbuch aus der Hand und erklärte, dass sie mir – weil sie ihre Brille nicht aufgehabt hätte – versehentlich das falsche gegeben habe und suchte aufgeregt nach dem »richtigen«.
    Der Fall war gelaufen. Auch für die liebenswerte Tante, die nie in unseren Fokus geraten wäre, wenn ihr Neffe sie nicht in seine Hinterziehungen mit hineingezogen hätte. Ich erklärte der verdutzten Frau, dass sie nun für ein paar Jahre Einkommenssteuer auf die Zinserträge nachzahlen müsse und wartete auf eine Reaktion ihres Neffen. Der erzählte endlich ohne zu zögern von seinen Schwarzgeldkonten und entschuldigte sich noch in unserem Beisein bei seiner Tante, die mit leeren Augen wortlos am Tisch saß. Am Ende hatten beide verloren.
    Steuerhinterziehungen waren im Rückblick gesehen nur vordergründig zu Ende gedacht. Die private Checkliste, was in Fällen von Steuerverkürzungen alles zu beachten ist, griff in der Regel nicht weit genug. Rechnungen und Belege wurden gerade so manipuliert, dass die Konstrukte bei oberflächlicher Betrachtung tatsächlich stimmig waren, aber von dem perfekten Verbrechen waren, bis auf wenige Ausnahmen, die meisten Bürger weit entfernt. Was in einem Finanzamt vielleicht gerade noch durchging, flog in den häufigsten Fällen spätestens bei der Steuerfahndung auf.
    Kaum ein Mensch ist in der Lage, die Steuerhinterziehung wirklich vollständig durchzuplanen. Für die perfekte Steuerhinterziehung bedarf es einer Vielzahl von kleinsten Puzzlestücken, die alle ineinander passen müssen. Fehlt auch nur ein winziges Teil, ist der Fall dann meist gelaufen. Nur die wenigsten unserer Gegner waren auf das Arsenal an Maßnahmen eingestellt, das eine Steuerfahndungsstelle auffahren konnte: die vollständige Durchsuchung von Geschäfts- und Privaträumen, Sichtung und Abgleich von Schein und Wirklichkeit im Lebensumfeld eines Steuerhinterziehers, die geschickte Befragung von Beteiligten und auch Unbeteiligten, das Interpretieren von Körpersprache, Erinnerungsfotos und Weinkellern – all dies ist im Grunde kaum zu bewältigen.
    Bei den Fällen, die uns begegnet sind, hätte bei einer größeren Steuerhinterziehung jeder Beschuldigte peinlichst darauf achten müssen, dass die Schere zwischen dem, was nach seinen beim Finanzamt eingereichten Unterlagen hätte möglich sein können, und dem, was die Steuerfahndung dann vor Ort sah, nicht allzu weit auseinander triftete. Aber genau in diesem Punkt lag die Krux. Wer Steuern hinterzog, tat dies vor allem, um sich seinen Lebensstandard zu erhöhen. Und der war bei Durchsuchungen einfach abzulesen. Wer offiziell nur über 2000 Euro netto pro Monat verfügte, war ohne plausible Nachweise über seine Geldquellen nicht in der Lage, glaubhaft zu erklären, wie er in einer Penthouse-Wohnung für 1800 Euro Kaltmiete wohnen konnte.
    Wer mit Tanten, Freunden oder Geschäftspartnern schlaue Konstrukte aufbaute, musste damit rechnen, dass auch sie von uns überprüft und befragt wurden. Und auch bei diesen Menschen mussten alle Angaben wiederum plausibel sein. Sie alle mussten damit rechnen, dass wir Schein und Sein zusammenfügten. Die Großmutter, die mit 800 Euro Rente dem Enkel angeblich gewaltige Summen in sechsstelliger Höhe leihen konnte, bekam von uns Besuch. Und sie musste uns erklären, wo das Geld herkam. Und wenn sie angab, sie hätte das Vermögen von ihrer Schwester bekommen, gingen wir auch zu dieser Schwester. Und zu dem Neffen, dem Freund oder dem Geschäftspartner. Alle Geschichten, die uns

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