Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)

wurde am Ende zur Zahlung dieser Provision verurteilt. Die ganze Sache war allerdings nichts weiter als ein großes Fake und letztlich nur eine besonders raffinierte Form der Scheinrechnung, die nie jemand entdeckt hätte. Denn warum hätte man ausgerechnet diese Rechnung bei einer Betriebsprüfung hinterfragen sollen? Es hätte nicht einen Anhaltspunkt für etwaige Zweifel gegeben, schließlich wurde der faule Deal durch ein richterliches Urteil dokumentiert und bestätigt.
    Auch von der Renditeseite her betrachtet ging dieser Betrug bestens auf. Konservativ gerechnet waren dem Immobilienmann etwa 12 000 Mark Gerichts- und Anwaltskosten entstanden. Die Rechnung, die er nach dem französischen Richterspruch zu bezahlen hatte, belief sich auf rund 400 000 Mark. Seine Betriebsausgaben stiegen somit um 400 000 Mark, was am Ende eine Steuerersparnis von gut 200 000 Mark einbrachte. Abzüglich der 12 000 Mark Gerichtskosten war das ein gutes Geschäft.
    Doch der Mann wollte nach dem warnenden Anruf des bayerischen Bankdirektors offenkundig reinen Tisch machen. Vermutlich wusste er einfach nicht, wie perfekt sein Steuerbetrug im Grunde war. Gleichwohl musste ich mich in all den Jahren immer wieder fragen, was wohl dabei herausgekommen wäre, wenn all die raffinierten Steuersünder, die wir erwischen konnten, ihr Wissen, ihre Energie und vor allem ihre Fantasie in die Entwicklung ihrer eigenen Unternehmen eingebracht hätten? Ob sie mit einer guten Geschäftsidee am Ende nicht besser gefahren wären als mit einem ausgefeilten Hinterziehungstrick?
    Süß und sauer
    Um verborgene und vor allem verbotene Wege zu finden, den Staat an der einen oder anderen Stelle um die Steuer zu betrügen, braucht es zunächst einmal ein Motiv. Diese Frage stellte sich auch uns Steuerfahndern im Laufe der Jahre immer wieder: Warum hinterziehen Bürger Steuern? Wer macht so was? Eine Minderheit oder gar die Mehrheit der
Menschen in diesem Land? Was treibt sie an, ab einem gewissen Umfang sogar eine Anklage vor Gericht und am Ende womöglich eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu riskieren? Warum sind die Hemmschwellen bei einem Diebstahl oder Raub größer als bei einer mit bis zu zehn Jahren Haft bestraften Steuerhinterziehung? Ist es nur die Gier der Menschen, nie genug zu bekommen? Oder aber die Gier eines Staates, seinen Bürgern in jedem Lebensbereich immer mehr Geld durch Abgaben und Steuern zu entziehen? Bedingt das eine vielleicht das andere?
    Aus meinen Erfahrungen nach fast drei Jahrzehnten in der Steuerfahndung ergeben sich drei Hauptmotive:
    An erster Stelle dürfte wohl tatsächlich die Gier nach mehr Geld stehen, oft einhergehend mit der Argumentation, dass der Staat ohnehin zu viel Steuern nimmt, diese vergeudet und es ihm abgesehen davon gar nicht zusteht, derart brutal und ungefragt in das Vermögen seiner Bürger einzugreifen.
    Als zweiten Punkt konnte ich in all den Jahren das Verlangen nach Macht sehen – und den Versuch, entscheidende Vorteile gegenüber den Konkurrenten zu erlangen. Das beginnt im Kleinen, wenn der eine mehr besitzen möchte als sein Nachbar oder Arbeitskollege, und es endet bei den politischen Führern dieses Landes, die zwar die Gesetze erlassen, für deren Um- und Durchsetzung die Staatsdiener zuständig sind, diese Gesetze jedoch hemmungslos brechen, wenn es um den persönlichen Erfolg oder den der eigenen Partei geht – wie die in diesem Buch beschriebenen Parteispendenaffären noch zeigen werden.
    Und das dritte, nicht weniger wichtige Motiv für die Hinterziehung von Steuergeldern ist in dem Bestreben vieler Menschen zu sehen, über freies Geld verfügen zu können. Auch hier lässt sich feststellen, dass sich dies durch alle Schichten unserer Gesellschaft zieht. Schwarzes, also freies Geld wird nicht nur benötigt, um Politiker, Mitarbeiter anderer Firmen, mitunter sogar Beamte zu bestechen – Schwarzgeld wird häufig auch innerhalb von Familien gebraucht, um Affären, außereheliche Kinder sowie verschiedene Ausformungen von Spiel- oder Drogensucht zu Hause zu verbergen.
    Wer seiner Frau gegenüber freies Geld verbergen möchte, muss in der Regel auch den Fiskus hintergehen, was in einem Staat, in dem so gut wie alles steuerpflichtig ist, geradezu tragisch anmutet. Der Sportwagen oder Schmuck für die Geliebte ist gelegentlich auch ein Fall für das Finanzamt. Und dann ist die Ehegattin auch nicht mehr weit ...
    Neben den Motiven für die Steuerhinterziehung war es auch interessant,