Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
diesen Hinweisen wollten wir konsequent nachgehen.
Bevor unsere Ermittlungen überhaupt richtig beginnen konnten, gingen schon die ersten Selbstanzeigen bei uns ein. Und genau in Fällen wie diesen offenbaren sich die Schwachpunkte der Selbstanzeige. Wir hatten es im Laufe der Jahre häufig erlebt, dass nach einem Fund wie dem in der bayerischen Bank plötzlich die Selbstanzeigen in die Finanzämter flatterten. Die Mechanismen waren immer die gleichen: In der vorliegenden Sache hatte der Bankdirektor die Inhaber der Nummernkonten vermutlich sofort gewarnt, denn auch ihm musste klar sein, dass seine Kunden nach dieser Entdeckung mit kritischen Nachfragen, wenn nicht sogar steuerstrafrechtlichen Ermittlungen zu rechnen hatten. Dasselbe passierte auch immer dann, wenn man beispielsweise bei einer Durchsuchung auf Scheinrechnungen gestoßen war. Auch dann konnte man fast sicher davon ausgehen, dass in den Tagen und Wochen danach Selbstanzeigen eingehen.
Unter rechtlichen Aspekten fand ich dies immer ein wenig bedenklich. Eigentlich war der Sachverhalt in diesen Fällen schon bekannt, Tat und Täter bereits entdeckt und trotzdem bot die Selbstanzeige in diesem Moment dem Täter noch die Chance, straffrei aus der ganzen Sache herauszugehen. An den Grenzübergängen stand man vor demselben Problem. Wenn ein Zollbeamter bei einer Kontrolle die Belege über ein ausländisches Schwarzgeldkonto gefunden hatte, kamen die Selbstanzeigen fast automatisch. Nur wenn der Zoll – wie an der Grenze zu Luxemburg häufig der Fall – umgehend die Kollegen der Steuerfahndung Trier benachrichtigt, ein Fahnder direkt zu dem gerade kontrollierten Fahrzeug kommt und das Steuerstrafverfahren vor Ort eröffnet, ist die Selbstanzeige nicht mehr möglich.
Doch weiter mit unserem Fall vom bayerischen Bankdirektor: Wir erhielten vom zuständigen Finanzamt die Nachricht über die Selbstanzeige eines Frankfurter Unternehmers, der sein Geld mit Immobilien verdiente. Als wir die handgeschriebenen Zeilen lasen, glaubten wir, unseren Augen nicht zu trauen. Nach seiner Selbstanzeige leiteten wir – wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben – ein Steuerstrafverfahren gegen den Frankfurter Immobilienmillionär ein, besorgten uns einen Durchsuchungsbeschluss und statteten dem reumütigen Herrn einen Besuch ab. Auch die Einleitung eines Strafverfahrens ist bei Selbstanzeigen zwingend notwendig, ebenso wie umfassende Ermittlungen. Aus Sicht der Steuerfahndung kann man nie restlos sicher sein, dass ein Selbstanzeiger auch tatsächlich alles offenlegt. Denn es wäre natürlich auch ein probates Mittel, dem Finanzamt mit einer lauwarmen Selbstanzeige ein bisschen Futter hinzuwerfen, während man die großen Brocken weiterhin verborgen und sich weitergehende Ermittlungen vom Halse hält. Selbstanzeiger sind zur absoluten Offenlegung – zur Materiallieferung – verpflichtet, nur so können sie die Hoffnung haben, dass das Strafverfahren am Ende der Ermittlungen tatsächlich eingestellt wird. Im vorliegenden Fall nahmen wir bei dem Immobilienunternehmer viele Unterlagen mit. Zum einen, weil wir sichergehen wollten, dass er tatsächlich alles gemeldet hatte, und: Wir wollten prüfen, ob wir selbst die Geschichte, die er zur Anzeige gebracht hatte, in seinen Unterlagen überhaupt entdeckt hätten. Die Antwort auf diese Frage erhielten wir recht schnell: Nein! Was unser Selbstanzeiger gemacht hatte, wäre vermutlich keinem Steuerfahnder aufgefallen.
Dem Phänomen der Scheinrechnung begegneten wir häufig. Ob das nun der große Fall mit dem griechischen Zahnlabor war oder die unzähligen kleinen Geschichten zwischen zwei Geschäftspartnern, die sich über Scheinrechnungen die Betriebskosten erhöhten, um damit die Gewinne zu schmälern, weniger Steuern zu bezahlen und sich das Geld am Ende bar wieder zurückzugeben. Das war bekannt und flog bei guten Betriebsprüfungen oder bei Kontrollen durch die Steuerfahndungsstellen in der Regel auch auf. Unser Immobilienunternehmer hatte sich jedoch eine ganz besondere Geschichte einfallen lassen.
Der Mann ließ sich ganz einfach vor einem französischen Zivilgericht zur Zahlung einer Provision an einen ehemaligen Geschäftspartner in sechsstelliger Höhe verurteilen. Es ging um einen Beratervertrag, den unser Immobilienmann offenkundig bestritt und nicht bezahlen wollte. Die Sache ging vor Gericht, mit Anwälten, juristischem Schriftverkehr und allem, was zu einem ordentlichen Verfahren dazugehörte. Der Mann aus Frankfurt
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