Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
beobachtete die Maßnahmen und juristischen Auseinandersetzungen in Düsseldorf aus der Ferne und nahm das Urteil aus Karlsruhe mit Wohlwollen auf. Aber noch hatten wir nicht viel in der Hand, um – am größten Bankenstandort Frankfurt – selbst etwas Derartiges zu unternehmen. Es lag zwar die Anzeige eines Mitarbeiters der Commerzbank bei der Staatsanwaltschaft vor, der seinem Arbeitgeber Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorwarf; den Stein ins Rollen brachte jedoch eine ganz andere, für uns bis heute erstaunliche Geschichte, in der sich eine große bundesdeutsche Bank unwissentlich selbst die bis dahin verheerendsten und am Ende teuersten Steuerermittlungen bescherte.
In der ersten Jahreshälfte 1995 saß ein Mitarbeiter der Commerzbank bei einem vertraulichen Gespräch in einem Dienstzimmer des Bundeskriminalamtes (BKA). Der Mann wollte wissen, wie man sich als Bankhaus – nur mal theoretisch gefragt – im Falle einer Erpressung verhalten solle. Also wenn, beispielsweise, Kontendaten von Commerzbank-Kunden in Luxemburg in die falschen Hände geraten seien. Das Ganze wäre natürlich – wohl bemerkt – nur ein Gedankenspiel, unterstrich der Bankmitarbeiter nachdrücklich in diesem Gespräch mit den Beamten des Bundeskriminalamtes.
Entsprechend oberflächlich und theoretisch fielen dann wohl auch die Antworten der Polizeiexperten aus, was den Abgesandten der Commerzbank nicht zufriedenstellte. Im Verlauf des Gespräches bohrte der Mann immer weiter nach und schien dabei nicht zu bemerken, dass er auf die klugen Fragen der Polizisten immer mehr Details dieses »theoretischen« Falls offenbarte. Kaum war der Bankmitarbeiter aus dem Gebäude, informierten die BKA-Ermittler ihre Kollegen in Luxemburg, und eine beachtliche internationale Polizeiermittlung kam ins Rollen. Denn eines hatten die Vorstände der Commerzbank, die diesen Mitarbeiter für ein ungezwungenes Gespräch zum BKA schickten, nicht bedacht: Bei Erpressung handelte es sich um ein Offizialdelikt, bei dem die Polizeibehörden ohne den Antrag des Opfers ermitteln müssen. Die Folge davon: Schon am 31. Juli 1995 wurde der ganz und gar nicht theoretische Erpresser Robert T. (Name geändert) verhaftet. In seiner Wohnung lagen auf dem Fußboden verstreut Aktenordner mit Kontodaten von Kunden der Luxemburgischen Commerzbank – ein Jahrhundertfund, von dem die Steuerfahndung Frankfurt jedoch zunächst noch nichts wusste.
Was war geschehen? Mit der Einführung der Zinsabschlagsteuer im Jahr 1993 kam es bundesweit zu empörten Aufschreien unter einer Vielzahl von Anlegern. Die Banken sahen sich infolgedessen offenbar gezwungen, Mittel und Wege für ihre Kunden zu finden, diese in ihren Augen unanständige Besteuerung zu umgehen. Wir wussten bereits von den Ermittlungen unserer Kollegen in Düsseldorf, dass eine Reihe von Bankhäusern ihrer Kundschaft angeboten hatte, das angesparte Geld nach Luxemburg und in die Schweiz zu transferieren.
Die Abwicklung war im Grunde ganz simpel. Die Banken richteten ein sogenanntes Pipeline- oder Transferkonto ein. Steuermüden Kunden wurde angeboten, das in Deutschland liegende Kapital über dieses anonyme Pipeline-Konto ins Ausland zu schieben, wo die lästige Zinsabschlagsteuer der Bundesrepublik nicht zum Tragen kam. Dabei wurde das Geld über eine fiktive Barabhebung vom deutschen Konto abgebucht und mittels einer ebenso fiktiven Bareinzahlung anonym auf das Transferkonto gebucht. Die so verschobenen Gelder landeten natürlich physisch nicht auf dem Schalter – sie verschwanden lediglich aus dem Einflussbereich der deutschen Finanzämter. Für die Kunden selbst war dieses Geschäft letztlich nur eine Verschiebung des Filialgeschäftes: Sie blieben weiter bei ihrer Bank, im vorliegenden Fall wechselten sie schlichtweg von ihrer deutschen Commerzbank-Filiale zur Commerzbank International Société Anonyme Luxembourg (CISAL).
Der Finderlohn
Die Geschäfte der ausländischen Töchter deutscher Banken zu jener Zeit blühten in einem unvorstellbaren Maße. Wo deutsche Kreditinstitute anfänglich ihre Büroräume in Luxemburg in einfachen Geschäftsgebäuden gemietet hatten, schossen nach Einführung der Kapitalertragssteuer plötzlich stattliche Bankneubauten mit Tiefgaragen und aufwendigen Sicherheitsbereichen aus dem Boden. Zeitweise wurden Bankgeschäfte sogar in angemieteten Hotelzimmern abgewickelt, so groß war der Ansturm in Luxemburg, nachdem im Jahr 1992 die Kapitalertragssteuer durch die Bundesregierung
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