Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
angekündigt worden war. Die Geldhäuser hatten Schwierigkeiten, in kürzester Zeit ausreichend Personal für die Luxemburger Filialen zu finden, und griffen in ihrer Not auch auf externe Spezialisten zurück. Einer davon war besagter Robert T.
Der IT-Experte bekam ein auf ein Jahr befristetes Engagement bei der Commerzbank, und als sein gut bezahlter EDV-Job beendet war, schien sich erstaunlicherweise niemand in der Bank für die Ordner mit den Kundendaten zu interessieren. Robert T. nahm die Unterlagen also einfach mit nach Hause, denn er war schlichtweg verärgert, weil sein Engagement bei der Bank nicht verlängert wurde. Diese Wut kanalisierte sich in krimineller Energie. Am 17. Mai 1995 meldete sich der Mann per Fax mit der Überschrift »Finderlohn« bei der Luxemburgischen CISAL und erklärte, dass er einen Karton mit Kundenunterlagen gefunden hätte und hierfür einen angemessenen »Finderlohn« in Höhe von fünf Millionen Mark fordere. Um der Sache Nachdruck zu verleihen, ließ Robert T. in dem Schreiben anklingen, dass sowohl die Anleger wie auch die Bank selbst mit einem »erschütternden Echo« zu rechnen hätten, falls sie seiner Forderung nicht nachkommen würden.
»Können Sie sich Schlagzeilen wie: ›Theo Waigel erhält Zugriff auf kompletten (Steuerhinterzieher-)Bestand einer deutschen Großbank in Luxembourg‹, oder ›Namensliste großer deutscher Steuerhinterzieher in dieser Ausgabe!‹ vorstellen? Ebenfalls recht spaßig ist die Vorstellung, die Dokumente direkt an das BMF, z. Hd. Herrn Waigel, m. d. Bitte um Verteilung an die zuständigen Betriebsfinanzämter, weiterzuleiten.«
Ein klarer Fall von Erpressung, den die Commerzbank aber naturgemäß nicht anzeigen wollte, denn schließlich war man sich über die Brisanz dieser »Fundsache« durchaus im Klaren.
Im Folgenden wurden chiffrierte Kleinanzeigen in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« geschaltet. Der erste Text: »Luxemburger Sammler kauft Gemälde von A. Balwé mit Echtzeitzertifikat«, sollte dem Erpresser vermitteln, dass man auf seine Forderungen eingehen würde. Im Grunde hätte der Fall abgeschlossen werden können, wenn die Bank ohne Umschweife auf diese Forderung eingegangen wäre. Vermutlich hätte kein Außenstehender je etwas von dieser Sache erfahren – schon gar nicht die Ermittlungsbehörden.
Die Commerzbank überwies das Lösegeld tatsächlich auf ein Konto mit dem Namen CISAL in Bregenz – als Kennwort wurde »Finanzamt« vereinbart –, ließ es jedoch zunächst nicht zur Auszahlung freigeben. Stattdessen wurde eine weitere Zeitungsannonce aufgegeben: »Sammler sucht 200 Original-Blätter (1–200) von A. Balwé für DM 1 Mio., verfügbar nach Lieferung in Luxemburg …« Die Bank versuchte dem Erpresser auf diesem Weg mitzuteilen, dass man zunächst einmal 200 Seiten aus der Saldenliste sehen wollte – zu einem Preis von 1 Million Mark, um dann das weitere Vorgehen abzustimmen. Der Erpresser lehnte diese Forderung jedoch ab und verlangte, spätestens ab dem 10. Juni 1995 über die Gesamtsumme verfügen zu können.
Eine weitere Kleinanzeige wurde geschaltet: »Luxemburger Anleger sucht für DM 5 000 000 private Anlagemöglichkeiten. Chiffre ...« Der Erpresser übersandte daraufhin tatsächlich 200 Seiten aus dem geklauten Saldenordner, zum Leidwesen der Steuerfahndung machte er sich jedoch keine Kopien, sodass bei den späteren Ermittlungen diese 200 Seiten fehlten. Aber die Unterlagen des Erpressers waren noch immer äußerst umfangreich. Robert T. forderte »volle Verfügungsmöglichkeit ab dem 26. Juni 1995«, andernfalls würde er die Kunden von dieser Liste direkt anschreiben und die Informationen überdies an Finanzbehörden und Presse weiterleiten.
In der Folgezeit kam es zu weiteren Unstimmigkeiten zwischen den beiden Parteien, da sich die Geldübergabe von Woche zu Woche immer wieder verzögerte. Über eine Fax-Mailbox in London gingen zahlreiche Mitteilungen ein und aus – und der Erpresser wurde immer ungeduldiger. Um seine gute Position zu unterstreichen, kontaktierte Robert T. in der Zwischenzeit – mit dem Absender Theo Waigel – ein paar Anleger, die in seiner brisanten Kontenliste aufgeführt waren. Die überraschten Empfänger dieser merkwürdigen Schreiben marschierten selbstverständlich umgehend zu ihren Kundenberatern der Commerzbank und verlangten nach einer Erklärung für diese ungeheuerliche und vor allem strafrechtlich gefährliche Indiskretion. Die Herrschaften waren
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