Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
oben rechts: »Nur für den Dienstgebrauch!« – und der Zusatz, dass dieses Schriftstück nicht ins Intranet des Amtes eingestellt werden dürfe und auch nicht in die offizielle Amtsregistratur aufgenommen würde. Eine streng geheime Angelegenheit musste das also sein, wurden Amtsverfügungen doch sonst immer auch offen in der Behörde publiziert. So etwas hatte ich in meiner bis dahin 35-jährigen Dienstzeit noch nicht gesehen.
Die Bankenteams der Steuerfahndung Frankfurt hatten im Zuge ihrer Ermittlungen dafür Sorge getragen, dass Steuerhinterzieher bundesweit einen neunstelligen Betrag an die Staatskasse zurückzahlen mussten. Noch am 5. Mai 2000 wurde der Steuerfahndung Frankfurt in einem Schreiben der Oberfinanzdirektion Anerkennung für dieses »ausgezeichnete Ergebnis« ausgesprochen und in Aussicht gestellt, den hessischen Finanzminister davon in Kenntnis zu setzen. Auch knapp drei Wochen später erhielt die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes Frankfurt am Main im Rahmen einer Dienstbesprechung ein ausdrückliches Lob für die effiziente Arbeit der vergangenen Jahre. Worte, die gut taten, schließlich hatten viele Mitarbeiter der Bankenteams über einen sehr langen Zeitraum weder auf die festgesetzten Dienstzeiten noch auf persönliche Befindlichkeiten Rücksicht genommen. Diese Jagd war für viele Fahnder zu einer Herausforderung geworden, die um jeden Preis zu einem Abschluss gebracht werden sollte.
In Hessen hatten sich die politischen Mehrheiten geändert, als im Jahr 1999 die CDU die Landtagswahl gewann und mit Roland Koch ein Christdemokrat zum Ministerpräsidenten gekürt wurde. Die Arbeit der Bankenteams lief vorderhand ungestört weiter – auch als zum Ende des Jahres die vor allem für die Moral von Finanzbeamten betrübliche CDU-Schwarzgeldaffäre ihre Schatten warf. Aber es wurde eine »brutalstmögliche« Aufklärung versprochen, und die Steufa hatte zu diesem Zeitpunkt weiterhin mit Dutzenden von Mitarbeitern fast rund um die Uhr mit den Auswirkungen der Bankenermittlungen zu tun.
Die erste, vielleicht noch etwas diffuse Botschaft aus führenden hessischen Regierungskreisen erfolgte auf ein Schreiben vom 29. März 2000. In einem Bericht des Finanzamts Frankfurt am Main an die Oberfinanzdirektion und das Hessische Finanzministerium war zu lesen, dass die Steuerfahndung einen kaum noch zu vertretenden personellen Engpass erreicht habe und man aus diesem Grund »eine Verstärkung der Steufa-Stelle ... um 13 Dienstposten (aufgerundet von 12,6) für Steuerfahnder, ergänzt um zusätzliche 15 Abordnungen« anrege. Die Antwort aus Wiesbaden: Es kam gar keine. Zunächst.
Bis im August die sogenannte Amtsverfügung 2001/18 überreicht wurde. Der Inhalt dieses Schreibens löste in den Gesichtern der betroffenen Steuerfahnder Erschrecken, wenn nicht sogar Entsetzen aus. Dort stand unverblümt, dass fortan ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht bei Geldtransfers ins Ausland in der Regel nur noch dann bestünde, wenn »ein Transfervolumen von DM 500 000 oder ein Einzeltransfer von DM 300 000 vorliegt.«
Übersetzt besagte diese Anordnung, dass alle vor den Finanzbehörden im Ausland versteckten oder dahin transferierten Gelder, die unter diesen Beträgen lagen, nicht mehr von der Steuerfahndung bearbeitet werden durften, obwohl – nicht nur aus Sicht eines Fahnders – unmissverständlich eine Steuerhinterziehung vorlag, sondern von Finanzämtern im Umkreis von Frankfurt abgearbeitet werden sollten. Das bedeutete, dass all jene, die ihre Hinterziehungen in kleinere Tranchen stückelten, von uns künftig nichts mehr zu befürchten hatten.
Es stand außer Frage, dass die Beamten des Finanzamtes Frankfurt am Main V dieser Anordnung Folge zu leisten hatten und dabei zusehen mussten, wie eine ganze Reihe von wirtschaftlich potenten und auch namhaften Steuerhinterziehern durch die Maschen rutschten, obwohl aus Sicht der Fahnder mehr als deutlich ein hinreichender Anfangsverdacht bestanden hatte. In dem Amt brodelte es. Und nach und nach konnte man in Erfahrung bringen, dass diese fragwürdige Weisung selbst auf Führungsebene des Hessischen Finanzministeriums kontrovers diskutiert wurde. Aber sie hatte Bestand.
Mir wurde dieses interessante Papier gar nicht persönlich übergeben, da ich zu dieser Zeit nur noch am Rande mit Bankenermittlungen beschäftigt war und seit einiger Zeit mit der Steuerfahndung Augsburg zusammen an der CDU-Parteispendenaffäre und den obskuren Machenschaften des
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