Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
Zögern, dass er zu dieser Frage nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit Stellung nehmen könne. Der Saal wurde geräumt, die Sitzung wurde umgehend hinter verschlossenen Türen weitergeführt und keiner der Zuschauer konnte mitverfolgen, wie Eduard T. aussagte. Oder, anders gesprochen: nicht aussagte.
Von einem Abgeordneten konnten wir noch am selben Abend erfahren, dass sich Eduard T. an nichts mehr erinnern konnte. Er wusste nichts mehr über das Treffen in »seinem« Leichtathletikverband, er wusste nichts zu dem Schreiben zu sagen, das wir damals aufgesetzt hatten, nichts zu den Vorgängen in der Behörde, keine Erinnerung an die Petition – nichts! Mir selbst berichtete er am folgenden Tag in der Servicestelle Recht von seinem Blackout und gestand – nachdem ich ein intensives und gutes Gespräch mit ihm hatte – ein Treffen im Finanzministerium einige Tage vor der Ausschussbefragung. Sein Gegenüber: der damalige Abteilungsleiter 1, Mario Vittoria.
Was bei diesem Treffen genau gesprochen wurde, wird wohl ewig das Geheimnis dieser beiden Männer bleiben. Zwei Dinge jedoch waren augenfällig: Der Oberamtsrat und Präsident des Hessischen Leichtathletikverbandes Eduard T. bekam nach seinem merkwürdigen Blackout vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einen Posten im Hessischen Innenministerium, im Referat VI, zuständig für Sport und Sportförderung, und konnte die Servicestelle Recht verlassen. Und auch für den Abteilungsleiter Mario Vittoria schien die Karriere noch nicht zu Ende sein. Er wurde Oberfinanzpräsident und Herr über 12 000 Verwaltungsmitarbeiter.
Unsere Versuche, Eduard T. davon zu überzeugen, wenigstens das schriftliche Protokoll seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss noch einmal wahrheitsgemäß zu überarbeiten, scheiterten insofern natürlich auch. Auf unsere Nachfragen hin räumte er ein, dass er sich solche Eigenmächtigkeiten schlicht nicht erlauben könne. Der Druck sei zu groß und er habe auch zu befürchten, dass die Fördermittel für seinen Leichtathletikverband gekürzt werden könnten. Aus diesen Gründen habe er die Abschrift seiner Befragung erst gar nicht mehr durchgelesen, bevor er sie eigenhändig unterschrieben habe. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss traf sich nach diesem denkwürdigen Tag übrigens nur noch einmal – der »Kronzeuge« Eduard T. hatte ihn mit seinen mutmaßlich von oben angeratenen Gedächtnislücken gleichsam beerdigt.
Auch der in die Betriebsprüfung abgeschobene ehemalige Steuerfahnder Rudolf Schmenger musste im Laufe der Zeit mit Befremden feststellen, dass die Waffen eines kleinen Amtsrates vergleichsweise stumpf waren, wenn er gegen Behörden und Politik »kämpfte«. Keiner seiner Briefe an den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch und den Finanzminister Karlheinz Weimar, in denen Schmenger äußerst sachlich und detailgetreu die zahlreichen Vorfälle und Merkwürdigkeiten in Bezug auf die Steuerfahndung schilderte, wurde je von einem der beiden Politiker persönlich beantwortet. Gerade auch in dem Fall des hessischen Großunternehmers, der zu Unrecht ins Visier von Ermittlungsmaßnahmen geraten war, weil Verjährungsfristen mutwillig ignoriert werden sollten, warnte Schmenger die Landesregierung vor Konsequenzen: »Allein der zu befürchtende Schadensersatzanspruch eines Frankfurter Großunternehmers beziffert sich meines Erachtens nach in Millionenhöhe.« In einem weiteren Brief an die Hessische Landesregierung schrieb Rudolf Schmenger:
»Es geht mir nicht nur um meine Rehabilitierung, sondern ich erhoffe von meinem obersten Dienstherren, dass er im Interesse des Landes Hessen die Verfolgung von Straftaten und Dienstpflichtverletzungen in der Hessischen Finanzverwaltung veranlasst und für eine verwaltungsinterne Bereinigung sorgt, ohne dass ich mich – wie andere Kollegen es bereits getan haben – auch an den Petitionsausschuss wenden muss, wobei ich nachdrücklich darauf hinweise, dass ich jedenfalls bisher stets nur verwaltungsintern versucht habe, Gerechtigkeit zu erlangen.«
Die Schreiben des Amtsrates Schmenger wurden vielmehr an die Stellen zur Bearbeitung weitergeleitet, die unmittelbar an den »Affären« beteiligt waren. Die Briefe wurden also von den Leuten »neutral« und »unabhängig« bearbeitet, die im Fokus seiner Kritik standen. Das war natürlich ein bemerkenswerter Schachzug der Landesregierung und ließ in etwa erkennen, wie stark in Wiesbaden der Wille zur Aufklärung der
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