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Inside WikiLeaks

Titel: Inside WikiLeaks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Domscheit-Berg
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Landespolizeidirektion und Staatsanwaltschaft. Die Akten legten die Arbeitsweise einiger Pharmavertreter dar: Stellten die Ärzte ihre Patienten auf ein Produkt dieses Herstellers um, wurden sie am Mehrumsatz beteiligt. Es gab auch direkte Zahlungen. In internen Mails einer Regionalleiterin heißt es: »Wenn ein Arzt Geld möchte, ruft mich an, wir finden einen Weg.« Eine andere Methode, den Arzt zu mehr Verordnungen dieses Herstellers zu bringen, waren Gutscheine für hochpreisige Fortbildungen.
    Die Verfahren wurden später eingestellt, weil beim Pharmaunternehmen kein Schaden entstanden ist und die niedergelassenen Ärzte im Sinne des Gesetzes nicht bestochen worden waren – die formale Erklärung in diesem Fall lautete: Ärzte sind nicht bestechlich, weil sie weder Amtsträger noch Angestellte sind.
    Ich erinnere mich noch an eine interessante Begegnung im Anschluss an eine Sendung von Katrin Bauerfeind. Bauerfeind hatte ihre Karriere mit der Internetsendung Ehrensenf begonnen und moderiert heute eine eigene Sendung auf 3sat . Im Anschluss an unsere Aufnahmen sagte mir ihre Redakteurin, dass sie es seltsam fände, wie optimistisch ich sei, und dass ich den Menschen so viel zutraute.
    Ich habe tatsächlich ein eher positives Menschenbild. Ich sagte ihr, dass die Menschen von sich aus ein Interesse an Informationen hätten, aber von den Medien, der Politik und ihren Vorgesetzten dumm gehalten würden. Wenn man den Menschen erst einmal ausreichend Informationen über entsprechende Hintergründe an die Hand gäbe, wären sie auch in der Lage, sich richtig zu verhalten und gute Entscheidungen zu treffen.
    Ihre Erfahrung sei eine ganz andere, sagte die Redakteurin. Sie glaube, dass die Menschen sich nicht für komplexe Zusammenhänge interessierten. Als ich mir das Programm anguckte, stellte sich mir die Frage nach Ursache und Wirkung: Ihre Sendung dauerte insgesamt dreißig Minuten. WikiLeaks bekam zehn Minuten Sendezeit, und die anderen beiden Beiträge waren so etwas wie: »Die Mauer fiel – und ganz Berlin tanzt Techno« und »Miss Platnum – die echte Lady Gaga«. Ich will damit nicht sagen, dass man 30 Minuten über WL berichten müsste, um die Welt besser zu machen. Ich habe mich danach nur gefragt, was zuerst da war, das schlechte Programm oder das schlechte Publikum. Vielleicht musste man das Publikum auch einfach wieder in die Lage versetzen, ein besseres Programm einzufordern.
    Andere Publikationen zogen mittelfristig wenig öffentliches Interesse, dafür jedoch langfristige Analysen oder wissenschaftliche Publikationen in Fachmagazinen nach sich. Etwa die Veröffentlichung aller Textnachrichten, die um den 11. September 2001 herum von Handys und Pagern verschickt worden waren – also kurz vor, während und nach den Anschlägen auf das World Trade Center. Forscher untersuchten die Textmasse auf die Verwendung von Schlüsselbegriffen wie Trauer, Angst oder Wut. Das Ergebnis: Begriffe, die Aggressionen ausdrückten, nahmen in den Tagen nach den Anschlägen immer stärker zu. Trauer oder Angst stagnierten. Das war ein Beleg für die These, Gewalt führe zu immer neuer Gewalt.
    Anthropologen wiederum interessierten sich für unsere Veröffentlichung zum Human Terrain System . Darin ist beschrieben , wie manche ihrer Kollegen dem amerikanischen Militär im Kriegseinsatz helfen, die einheimische Bevölkerung zu verstehen und ihre Propaganda auf Land und Kultur maßzuschneidern.
    Die CRS -Reports, die Congressional Research Service Reports sorgten vorwiegend bei Akademikern für Begeisterung. Der amerikanische Kongress verfügt über einen eigenen wissenschaftlichen Informationsdienst. Jeder Abgeordnete kann diesen Service beauftragen und Informationen anfordern. Die Berichte werden mit hohem Aufwand und in ausgezeichneter Qualität zu den unterschiedlichsten Themen erstellt, ob nun über die Baumwollindustrie in Mexiko oder zu Massenvernichtungswaffen in China.
    Auf diese von Steuergeldern finanzierten Dossiers würden viele Wissenschaftler ebenfalls gerne zugreifen. Allerdings muss sich ein Abgeordneter finden, der einen Report publizieren möchte – und oft findet sich keiner. Dafür kann es mehrere Gründe geben: Zum einen ließe sich im Nachhinein rekonstruieren, ab wann ein Abgeordneter um eine bestimmte Problematik wusste oder wofür er sich überhaupt interessierte. Es kann auch passieren, dass die Ergebnisse den Auftraggebern nicht so recht ins Konzept passen – einen solchen Leak hatten wir

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