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Inside WikiLeaks

Titel: Inside WikiLeaks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Domscheit-Berg
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in Deutschland etwa im Zusammenhang mit einer Studie über private Krankenkassen. Die mit der Untersuchung beauftragten Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, private Kassen brächten keineswegs den propagierten gesellschaftlichen Nutzen. Der verantwortliche Wirtschaftsminister Rainer Brüderle von der FDP ließ das Papier im Giftschrank verschwinden, bevor wir es erhielten.
    Genauso kann ein veröffentlichter CRS -Report Gesetze der Abgeordneten als Fehlentscheidung, Argumente als falsch und Verwaltungen als schlecht organisiert ausweisen. Auf der Wunschliste des Center for Democracy and Technology, einer amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die sich für ein freies Internet einsetzt, standen diese Reports jedenfalls lange Zeit auf Platz eins. Und wir stellten gleich Tausende von ihnen auf unsere Seite. In Steuergeldern entsprach das vermutlich einem Gegenwert von über einer Milliarde Dollar. Die Nachfrage war groß.
    Wir prüften nach einer Weile, wo die Reports gelandet waren. Und fanden sie unter anderem auf Regierungsservern wieder. Das war schon ein ironischer Erfolg. Von der langsam wachsenden Open-Data -Bewegung gab es viel Zuspruch. Der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain, der damals im Wahlkampf gegen Obama antrat, hatte übrigens schon lange gefordert, diese Reports allgemein zugänglich zu machen. McCain war damals noch viel mehr als Barack Obama ein Befürworter offener Regierungsdaten, auch wenn Obama in der Folge mit seinen Initiativen zum Open Government von sich reden machen sollte.
    Wir hätten überdies gerne verhindert, dass Journalisten unser Material benutzten, ohne auf WL zu verweisen. Wir dachten eine Zeitlang an Wasserzeichen, das war jedoch zu kompliziert umzusetzen. Es kam damals ziemlich oft vor, dass in zeitlicher Nähe zu passenden Veröffentlichungen von uns plötzlich Geschichten in den Medien auftauchten, ohne dass WL dabei als Quelle genannt wurde. Und wenn ich nachfragte, hatte man das Dokument immer »von anderen bekommen« oder »schon länger in der Hinterhand«. Alles klar. Hätten wir unsere Dokumente mit Wasserzeichen versehen, wären die Journalisten leicht zu überführen gewesen. Zumindest wenn wir sie nach dem Originaldokument gefragt hätten, wäre dann herausgekommen, dass sie sich doch auf unsere Quelle bezogen.
    Sicher hätte man uns umgekehrt vorwerfen können, damit eine Art Schutz des geistigen Eigentums einzufordern, den wir in anderen Bereichen kritisierten. Ich trage gerne T-Shirts mit »Pirate Bay«-Aufdruck und bin Befürworter eines fortschrittlichen Urheberrechts. Aber hinter unseren Überlegungen stand weit mehr als reines Copyright-Denken. Es ging auch darum, die Dokumente im Zweifelsfall mit den nötigen Zusatzinformationen versehen zu können. Und zu verhindern, dass die Medien direkt auf Dokumente verlinkten, die unkommentiert geeignet waren, in der Öffentlichkeit ein falsches Bild zu erzeugen. Aus diesem Grund schrieben wir ja die Zusammenfassungen und gaben gegebenenfalls Hinweise zur Güte des Materials.
    Ein gutes Beispiel, was mit direkt verlinkten Dokumenten passieren konnte, war etwa der Leak eines Memorandum of Understanding . Das war ein Abkommen, das der kenianische Politiker Raila Odinga mit dem dortigen National Muslim Leaders Forum geschlossen hatte. Darin war unter anderem zu lesen, dass Odinga Zugeständnisse an die muslimische Minderheit machte. Er versprach darin unter anderem, die Interessen der muslimischen Kenianer zu verfolgen, die in Guantanamo inhaftiert waren. Barack Obama ist ein Unterstützer Odlingas. Es war bekannt, dass er von dem Memorandum gewusst hat.
    Zu diesem Memorandum of Understanding gab es zwei Dokumente, ein echtes und ein gefälschtes. Durch das gefälschte Dokument wurde praktisch suggeriert, Obama befürworte die Einführung der Scharia in Kenia – was natürlich absurd war. Es war interessant zu sehen, welche Medien bei uns auf welches Dokument verlinkten: Das eine war geeignet, Obama als verkappten afrikanischen Moslem darzustellen und ihn damit als Präsidentschaftskandidaten zu diskreditieren. Diese Fassung tauchte unter anderem beim New Yorker, in der New York Sun und in weiteren Presseerzeugnissen, vor allem der Konservativen, auf. In dem anderen Dokument war das Memorandum deutlich weniger brisant und keine Rede davon, die Scharia einzuführen. Hätte es die Dokumente nur im Komplettpaket mit Wasserzeichen und Erläuterung gegeben, hätten wir verhindern können, dass Medien unsere

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