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Inside WikiLeaks

Titel: Inside WikiLeaks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Domscheit-Berg
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zu arbeiten ist eine Form von Perfektion, der Sieg über die Zeit«, erklärte er mir. Er war lange vor seinem Computer fertig mit dem, was er zu erledigen hatte.
    Wir bekamen bereits ein paar Spenden auf unser PayPal-Konto und hatten uns angewöhnt, in regelmäßigen Abständen Dankesmails zu verschicken. Darin zeigten wir uns erkenntlich und schrieben unseren Unterstützern, wie wichtig ihre Spende sei und dass sie damit in die Freiheit der Informationen investierten. Diese Aufgabe übernahmen wir abwechselnd, und jetzt war es an Julian, die Sammelmail zu schreiben und die Adressen unserer aktuellen Spender einzufügen.
    So saß er also auf meinem Sofa, in gelbes Licht und zwei Wolldecken gehüllt, und schrieb seine Mails. Es klackte und tippte und klapperte rhythmisch neben mir, bis die Arie abrupt auf einem leisen »God damn!« endete. Julian hatte einen Fehler gemacht. Da wir Mails an mehrere Empfänger verschickten, musste man das »to« in ein »bcc« verwandeln, damit der einzelne Empfänger nicht auch die Namen der anderen Spender zu sehen bekam. Genau an dieser Stelle hatte Julian sich nun vertan. Allerdings hatte er die Mail bereits abgeschickt.
    Das Malheur bescherte uns im Februar 2009 unseren ersten und einzigen Leak in eigener Sache. Denn die Reaktion auf diese Dankesmail ließ nicht lange auf sich warten.
    »Bitte benutzen Sie Blind Carbon Copy ( BCC ), um Mails wie diese zu verschicken …« oder: »Es sei denn, Sie wollten 106 Email-Adressen Ihrer Unterstützer leaken, würde ich denken, BCC wäre besser.« Einer bot an: »Wenn Sie den Unterschied nicht kennen, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren, ich geleite Sie gerne durch den Prozess.«
    Julian schrieb eine Entschuldigung. Julian? Nein, Jay Lim, unser Rechtsexperte aus der Abteilung WikiLeaks Donor Relations, dem Spenden-Referat.
    Der Zufall treibt gerne seine Spielchen, so auch mit uns. Unter den Spendern, bei denen wir uns dieses Mal bedankt hatten, befand sich ein gewisser Adrian Lamo. Das war ein semiprominenter Ex-Hacker, der später für die Verhaftung unserer vermeintlichen Quelle Bradley Manning verantwortlich sein sollte.
    »Guck dir das an, so ein Penner«, sagte Julian, als er die Einreichung entdeckte.
    Ich klickte mich in unseren Briefkasten. Da lag tatsächlich ein neues »Geheimdokument«: Jemand hatte uns unsere eigene Spender-Liste als offiziellen Leak eingereicht, mit einer relativ unfreundlichen Notiz dazu. Normalerweise kennen wir unsere Quellen nicht. Aber Lamo sollte später bekennen, dass er es gewesen war, der unseren Patzer eingesandt hatte. Wohl oder übel mussten wir das jetzt exponieren.
    Das war interessant. Weil wir schon oft darüber philosophiert hatten, was passierte, wenn wir etwas über unsere eigene Organisation veröffentlichen müssten. Wir waren uns einig, dass wir auch negative Nachrichten preisgeben mussten. In der Presse sorgte dieser Leak dann für ein positives Echo. Wenigstens waren wir konsequent. Von den Spendern beschwerte sich niemand.
    Julian benahm sich oft wie ein Mensch, der nicht von anderen Menschen, sondern von Wölfen großgezogen worden war. Wenn ich gekocht hatte, dann wurde das Essen nicht etwa geteilt. Es ging schlicht darum, wer schneller war. Gab es vier Scheiben Leberkäse, aß er drei und ließ mir nur eine, wenn ich zu langsam war. So eine Einstellung kannte ich bis dahin nicht. Ich fragte mich, ob ich spießig war, wenn mir manchmal Sätze meiner Mutter in den Sinn kamen. »Man kann doch wenigstens mal fragen«, oder so ähnlich.
    Wir aßen beide am liebsten rotes Fleisch, gerne auch rohes Hack mit Zwiebeln. Dass ich für meinen Leberkäse länger brauchte, lag daran, dass ich ihn mit Vollkornbrot und Butter aß, während Julian Lebensmittel am liebsten pur und ohne alles verspeiste: Entweder er aß Fleisch oder Käse oder Schokolade oder Brot. Wenn er der Meinung war, dass er Zitrusfrüchte brauchte, lutschte er reihenweise Zitronen aus. Und das fiel ihm mitunter mitten in der Nacht ein, nach einem Tag ohne einen einzigen Bissen.
    Es war umgekehrt nicht so, dass ihn in seinem Leben noch niemand über Höflichkeitsregeln informiert hätte. Julian konnte sehr höflich sein, wenn er wollte. Er begleitete zum Beispiel meine Besucher, selbst wenn er sie gar nicht kannte, bis auf den Bürgersteig hinaus.
    Julian war zudem sehr paranoid. Er hielt es für ausgemacht, dass jemand das Haus beobachtete. Deshalb bestand er darauf, dass man uns nie zusammen aus dem Haus gehen oder

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