Inside WikiLeaks
Kunstfuzzis. Auch die Ausstellung kam mir komplett überdreht vor. Immerhin habe ich mir eine Uhr gekauft, die sich mit der Bioenergie einer Pflanze betreiben ließ. Das war das einzige Projekt, das mir gefiel. Ansonsten sah und hörte ich nur selbstverliebte Menschen, die von ihren banalen Projekten redeten und sich selbst beweihräucherten.
Unten im Keller gab es eine Präsentation mit ein paar Fotos und Aufstellern von uns. Ich konfigurierte heimlich die herumstehenden Internetterminals so um, dass der Browser nur noch den Zugriff auf die WikiLeaks-Seite erlaubte. Selbst das bemerkte niemand.
Am nächsten Tag flog ich frühzeitig ab, weil mir die ganze Show so auf die Nerven ging. Julian blieb bis Montag. Da sollten die Zweitplatzierten noch einmal die Gelegenheit bekommen, ihre Projekte zu präsentieren und mit den anderen ins Gespräch zu kommen.
Gegen Mittag gab es eine Pressekonferenz, im gleichen Saal, diesmal aber mit deutlich dünnerer Besetzung. Für jeden der Ausgezeichneten war eine Redezeit von fünf Minuten eingeplant. Die Veranstalter begingen den Fehler, Julian den Anfang machen zu lassen.
»Sind denn auch Vertreter von den Medien im Raum?«, fragte er.
Etwa die Hälfte der Anwesenden meldete sich.
»Na ein Glück«, sagte Julian. »Ich habe schon befürchtet, ich wäre hier wieder nur mit so Kunstwichsern eingesperrt.«
Die Hälfte des Publikums lachte, zufällig ziemlich genau die gleiche Hälfte, die sich zuvor gemeldet hatte. Julian legte los, erklärte den erheiterten Journalisten und den beleidigten Künstlern, wie WikiLeaks und die Welt funktionierten und hörte erst 45 Minuten später auf zu reden.
Die Idee vom Medienfreihafen
Im Sommer 2009 war die weltweite Bankenkrise noch immer in vollem Gange. Es hatte uns jemand Material zur Kaupthing Bank zugespielt, das war damals die größte Bank Islands. Wir veröffentlichten das Dokument, und zwar am 1. August 2009.
Es zeigte, wie Geschäftspartner und dem Bankhaus Nahestehende Kredite zu extrem günstigen Konditionen bekommen hatten, und zwar kurz bevor die Bank in die Insolvenz gegangen war. Die Medien sprachen von einer »Plünderung der Bank durch die Eigner«. Die Begünstigten hatten keine oder kaum Sicherheiten hinterlegt und dafür im Einzelfall Beträge im hohen Millionenbereich erhalten. Das hatte die isländische Bevölkerung zu massenhaften Protesten auf die Straße getrieben. Auch in England und in den Niederlanden, wo viele der Schuldner saßen, war die Empörung groß. Die Isländer begriffen, dass ihre Ausbeutung System gehabt hatte: Sie müssten den Bankrott ihres Staats und der Sozialkassen über Generationen abbezahlen, während sich Banker die Taschen gefüllt hatten.
Wenig später nahm eine Gruppe von Isländern Kontakt mit uns auf. Einer von ihnen war Herbert Snorasson, ein isländischer Student. Er plante mit seiner Uni-Gruppe Félag um stafrænt frelsi á Íslandi ( FSFÍ ), die sich für ein offenes Internet einsetzt, eine Konferenz zum Thema »Digitale Freiheiten« und fragte an, ob wir dazukämen. Ich sagte sofort zu. Julian zögerte.
Er sagte oft erst in letzter Sekunde zu. Ich hatte dann bereits alles ausgemacht und organisiert. Vielleicht überzeugte ihn diesmal meine Bemerkung, auf Island gebe es statistisch betrachtet die schönsten Frauen der Welt. Hatte ich irgendwo gelesen.
Ich freute mich, mit ihm auf diese Konferenz zu fahren. Wann immer wir uns trafen, hatten wir Spaß zusammen. Was mich langsam ein bisschen nervte, war sein Auftreten. Er musste sich immer als Chef aufspielen. Zum Beispiel gab er Leuten, die wir zusammen trafen, immer als Erster die Hand.
»Ich bin Julian Assange, und das ist mein Kollege.«
Ich hätte es umgekehrt nie so gesagt, mir wäre nicht in den Sinn gekommen, Julian als »und das ist mein Kollege« vorzustellen.
Im November flogen wir nach Island. Ich nahm das Flugzeug von Berlin aus, Julian reiste von irgendwo nach. Ich hatte uns eine Pension besorgt. Das »Baldursbra« war ein gemütliches, ganz und gar unstylisches Gästehaus in der Innenstadt, das von einer Französin betrieben wurde. Julian und ich teilten uns ein Eckzimmer im zweiten Stock.
Nach meiner Ankunft ging ich gleich in die Stadt und suchte mir ein Restaurant. Dort traf ich mich mit Herbert, der seinen Kommilitonen Smari mitbrachte. An den Namen des Restaurants erinnere ich mich nicht mehr, aber ich aß dort eine ausgezeichnete Fischsuppe. Außerdem gab es in Island überall Malzbier, und zwar
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