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Inside WikiLeaks

Titel: Inside WikiLeaks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Domscheit-Berg
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immer wieder an den Laptop. Im Auto lag ein WLAN -Router mit UMTS -Verbindung, für das Zelt hatte ich ein langes Stromkabel dabei, und auf meiner isländischen Mobilfunk-Nummer riefen regelmäßig Journalisten an.
    So wollte sich zum Beispiel Harvey Cashore vom kanadischen Fernsehen unbedingt mit mir treffen. Er war ohnehin in Deutschland zu einem Termin, und als er hörte, dass ich in Island sei, beschloss er, mir nachzureisen. Cashore leitet den Bereich »investigative Recherchen« bei CBC , der Canadian Broadcasting Corparation . Er musste einen Anschlussflug zu dem kleinen Flughafen von Isafjördur nehmen, wo ich auf meiner Rundreise mit Anke und Jacob gerade Halt gemacht hatte.
    Cashore schlug eine Kooperation vor. Sein Sender wollte sich an unserer nächsten Publikation beteiligen und sogar einige Redakteure dafür abstellen, uns beim Redigieren des Materials zu unterstützen. Ich unterhielt mich mit ihm zwei Stunden lang, wir hatten uns in einem Fischrestaurant in Isafjördur verabredet. Doch sein Einsatz sollte nicht belohnt werden. Andere Medienpartner wollten nicht, dass CBC ein Stück vom Kuchen abbekäme. Die Spiegel -Leute waren ziemlich entspannt, es waren vor allem die englischsprachigen Journalisten, die ablehnend reagierten. Julian erzählte mir, sie hätten ihm gegenüber Druck aufgebaut.
    In Deutschland gab es in den Medien zu diesem Zeitpunkt nur ein Thema: das Unglück bei der Loveparade in Duisburg, bei der am 24. Juli 19 Menschen von der Menge erdrückt worden waren und zwei weitere Opfer einige Tage später im Krankenhaus an ihren Verletzungen gestorben waren.
    Bei uns gingen bald zahlreiche Papiere dazu ein: die unter Verschluss gehaltenen Planungsdokumente, die internen Absprachen und alle Einzelheiten zum Sicherheits- und Genehmigungsprozess. Die Papiere stapelten sich regelrecht auf unserem Server, oft gleich in mehrfacher Ausführung. Es kam mir vor, als hätte die halbe Duisburger Stadtverwaltung über Nacht den Whistleblower in sich entdeckt.
    Zwar hatten auch Blogs und andere Medien schon einiges davon veröffentlicht, aber wir waren garantiert die Ersten, bei denen die Hintergründe so umfassend dokumentiert waren. Ich fühlte mich verpflichtet, das herauszugeben, zumal WL inzwischen auch in die Rolle einer Plattform geschlüpft war, die solchen Dokumenten die nötige Aufmerksamkeit sicherte. So nahm ich mir während unseres Island-Urlaubs einige Nächte lang Zeit, alles für die Website aufzubereiten.
    Wir hatten auf unserer Tour in einem kleinen Ort namens Holmavik Halt gemacht. In Holmavik gab es nicht viel mehr als ein Hexenmuseum und ein kleines Gästehaus in windiger Hanglage. Dort verbrachten wir zwei Nächte. Bis morgens um fünf saß ich mit Anke in dem rumpeligen Aufenthaltsraum, in dem jeden Tag das Frühstück serviert wurde, und befasste mich mit Duisburg.
    Neben mir stapelte sich ein Berg alter Bierdosen von unseren Vorgängern. Gegen die Kälte schützten mich dunkelblaue Merino-Wollunterwäsche und dicke Socken. Gegen die lahme Internet-Verbindung half nur – Geduld. Ich hatte an die vierzig Dokumente in unterschiedlichen Versionen durchzugehen und musste die ganze Produktionskette wieder an den Start bringen. Außerdem wollten Zusammenfassungen geschrieben und publikationsreife Fassungen mit Deckblättern erstellt werden. Seit unserer Zwangspause hatten wir nur noch große Publikationen auf Seiten veröffentlicht, die wir eigens dafür gebaut hatten. Die Love-Parade-Veröffentlichung am 20. August war praktisch die erste normale Publikation auf WikiLeaks seit unserer Zwangspause.
    Zu diesem Zeitpunkt publizierten wir ja schon lange nicht mehr – wie es eigentlich das fest vereinbarte Prinzip gewesen war – die Dokumente in der Reihenfolge ihres Eingangs, sondern wir ließen den Großteil einfach liegen und konzentrierten uns auf die Big Shots. Diese Devise hatte Julian ausgegeben. Und er war trotz heftiger Diskussionen darüber nicht umzustimmen. Dabei sammelte sich noch so einiges an, was ich wichtig gefunden hätte.
    Wir hatten zum Beispiel den Mail-Verkehr der NPD aus den vergangenen vier Jahren eingelagert. Einen Ausschnitt davon hatte ich bereits an einen Journalisten weitergegeben, damit der sich einen Eindruck verschaffen konnte. Außerdem hatte der Spiegel, dem zumindest Teile des Materials anscheinend auch vorlagen, bereits eine Geschichte dazu gemacht. Da der Spiegel- Artikel aus den Mails zitierte, musste das Magazin von den Anwälten der Partei

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