Inspector Alan Banks 01 Augen im Dunkeln
«Und wie schnell treten die Symptome auf?»
«Das ist verschieden», fuhr Glendenning ungerührt fort. «Im Normalfall nach drei bis zehn Tagen.»
«Welche Behandlung?»
«Mit Penicillin. Vorher muß man natürlich ein paar Tests machen, um andere Möglichkeiten auszuschließen, vor allem die Syphilis, die ähnliche Anfangssymptome haben kann.»
«Wo muß man hingehen, um sich behandeln zu lassen?»
«Nun ja, früher ging man einfach zu seinem Hausarzt oder in die Ambulanz im Hospital, aber heutzutage, bei der allgemeinen Promiskuität und dem allen, gibt es überall Tageskliniken, die auf solche Sachen spezialisiert sind. Diskrete Behandlung garantiert, versteht sich.»
Banks erinnerte sich, von solchen Einrichtungen gehört zu haben. «Hier in Eastvale haben wir auch eine, oder? Und wenn ich nicht irre, ist sie dem Krankenhaus angeschlossen, richtig?» fragte Banks.
«Richtig. Und dann gibt's noch eine in York.»
«Sonst nichts in der Nähe?»
«Nein, es sei denn, Sie zählen Darlington und Leeds mit.»
«Vielen Dank, Doktor», sagte Banks eilig. «Recht vielen Dank.»
Gleich nachdem er aufgelegt hatte, rief er Hatchley und Richmond zu sich, unterrichtete sie über die neue Situation und wies sie an, sämtliche einschlägigen Kliniken im Umkreis von fünfzig Meilen anzurufen, um sich nach einem jungen Mann mit schlechten Vorderzähnen zu erkundigen, der über die Herkunft seiner Ansteckung vermutlich sehr vage Angaben gemacht hatte.
Eine Viertelstunde später wußte er, daß sich in keiner der Kliniken ein Patient gezeigt hatte, auf den die Beschreibung zutraf. Demzufolge hatte der Verdächtige die Symptome entweder noch nicht bemerkt oder überlegte noch, was nun zu tun war. Hatchley und Richmond hatten dafür gesorgt, daß das Personal der Kliniken die Augen aufhalten und die nächstgelegene Polizeidienststelle anrufen würde, sobald sich eine verdächtige Person zur Behandlung anmeldete. Anschließend hatte Hatchley die jeweils zuständigen Reviere angerufen und die Beamten gebeten, den jungen Mann festzuhalten, wenn er in einer der Kliniken auftauchte, und Banks unverzüglich zu informieren.
Schließlich rief Banks Jenny Füller an, in ihrem Büro an der Universität, und berichtete ihr von Thelma Pitt. Wenn deren Fall auch nichts mit dem Voyeur zu tun hatte, so handelte es sich doch immerhin um ein Sexualverbrechen, und er brauchte den Rat einer Frau.
«Haben Sie sie irgendwohin geschickt, wo sie Hilfe bekommen kann?» erkundigte sich Jenny.
«Ich habe ihr geraten, einen Arzt aufzusuchen, muß allerdings zugeben, daß ich dabei in der Hauptsache dienstliche Interessen im Auge hatte.»
«Das wird ihr nicht viel helfen, Alan. Aber in York gibt es ein sogenanntes Krisencenter für die Opfer von Vergewaltigungen, das den Betroffenen die Möglichkeit gibt, über ihre Probleme zu reden. Es erstaunt mich, daß Sie offensichtlich nie davon gehört haben, Alan. Nach einer solchen Erfahrung haben die meisten Frauen erhebliche Schwierigkeiten, ihr normales Leben fortzusetzen, und es gibt einige, die sich nie davon erholen. Wie dem auch sei, diese Leute können eine gute Hilfe sein. Es sind nicht einfach nur Ärzte, sondern überwiegend Personen, die selbst einmal Opfer gewesen sind. Warten Sie, ich suche Ihnen gleich die Nummer heraus.»
Banks notierte die Telefonnummer und versprach, sie an Thelma Pitt weiterzugeben.
«Wie ist es? Treffen wir uns bald wieder?» fragte Jenny.
«Ja, sicher. Ich habe allerdings eine Menge zu tun mit dieser Geschichte von Thelma Pitt, und in unserem Fall haben sich keine besonderen Fortschritte ergeben. Ich rufe Sie wieder an.»
«Der klassische Korb!» jammerte Jenny dramatisch.
«Seien Sie nicht albern», lachte Banks. «Wir sehen uns bald. Und wer weiß», fügte er hinzu, «vielleicht werden Sie ja sogar demnächst zum Dinner eingeladen.» Dann legte er den Hörer auf, bevor Jenny die Möglichkeit hatte zu antworten.
Als nächstes stand Lewis Micklethwaite auf dem Programm. Banks öffnete die klappernde Schublade seines Schreibtisches, zog das örtliche Fernsprechbuch hervor und griff erneut nach dem Telefon.
* 3
Micklethwaite zeigte keine Neigung, sich nach der Arbeit auf dem Revier einzustellen, ebensowenig wie er Banks bei sich zu Hause empfangen wollte. Tatsächlich schien ihm überhaupt jeglicher Umgang mit der Polizei zu widerstreben, und als er sich
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