Inspector Alan Banks 01 Augen im Dunkeln
erwachte, wußte er sofort, daß irgend etwas nicht stimmte.
«Trevor!» hörte er seinen Vater, wie üblich, von unten rufen. «Das Frühstück ist fertig! Mach schnell, sonst kommst du zu spät zur Schule.»
Zumindest konnte er sich darauf verlassen, daß es heute beim Frühstück keinen Streit geben würde. Den ganzen Sonntag über war er zu Hause geblieben und hatte den braven Sohn gespielt, hatte dem Vater bei der Hausarbeit geholfen und sogar seine Schulaufgaben gemacht. Mit solchen Gesten konnte er sich ein paar Tage, manchmal auch etwas länger, seine Ruhe erkaufen.
Nur schade um die Schulaufgaben, dachte er. Die reinste Verschwendung, da er sie ohnehin nicht abgeben würde. Er hatte vor, sich am Nachmittag davonzumachen, um mit Mick ein paar neue Sachen zu planen. Die Tatsache, daß Lenny ihnen geraten hatte, sich eine Zeitlang mit Hauseinbrüchen zurückzuhalten, bedeutete noch lange nicht, daß man keine anderen Wege finden konnte, sich ein bißchen Spaß zu machen - vielleicht sogar außerhalb der Stadt.
Trotzdem, irgend etwas stimmte nicht. Er fühlte sich merkwürdig unwohl, während er so dalag, die Decken bis zum Kinn hochgezogen, zu den farbenprächtigen Postern an der Wand aufschaute und sich fragte, ob dieses klebrige Gefühl weiter unten möglicherweise von einem feuchten Traum herrührte. Vorsichtig schob er die Decklaken zur Seite und setzte sich auf die Bettkante. Auf der Vorderseite seiner Schlafanzughose zeigten sich Flecken, die bei genauerem Hinsehen einem gelblichen Ausfluß entstammten.
Äußerst alarmiert stürzte er ins Badezimmer und wusch sich. Als er sich hinstellte, um zu urinieren, packte ihn echte Angst. Es tat höllisch weh und fühlte sich an, als ob er rotglühende Nadeln aus sich herauspressen müßte. Der kalte Schweiß trat ihm aus den Poren, er stützte sich mit den Händen gegen die Wand und preßte die Stirn auf die Fliesen. Als er fertig war, ließ der Krampf nach, zurück blieb nur ein anhaltendes Herzklopfen, das Echo eines zerrenden Schmerzes.
Er wusch sein Gesicht und betrachtete sich im Spiegel. Der dunkle Fleck zwischen seinen Vorderzähnen war größer geworden, und er hatte zwei neue Pickel bekommen; der eine war noch im Frühstadium und hatte sich in die Hautfalte zwischen Oberlippe und Nasenflügel geklemmt; der andere blühte gelb und reif direkt am Übergang vom Kinn zum Hals. Aber das war im Moment seine geringste Sorge. Er war blaß, und seine Augen blickten stumpf und glanzlos. Und er wußte, was mit ihm los war: Er hatte einen Tripper. Diese beschissene Fotze hatte ihm einen Tripper verpaßt!
Mit einiger Anstrengung riß er sich endlich zusammen, erledigte den Rest seiner Morgentoilette und ging zurück in sein Zimmer, um sich anzukleiden.
«Beeil dich, Trev!» rief sein Vater. «Der Schinken und die Eier werden kalt.»
«Ich komme schon, Dad!» rief er zurück. «Sekunde noch.»
Er zog sein weißes Hemd und die grauen Hosen an, nahm einen ärmellosen Pullover mit V-Ausschnitt und grau-weißem Muster aus dem Schrank und war fertig. Hastig schlangen Vater und Sohn ihr Frühstück hinunter, aber Graham strahlte und meinte:
«Das war doch ein schöner Tag gestern, nicht wahr?»
«Ja», log Trevor.
«Wir haben 'ne Menge geschafft.»
«Haben wir, wirklich.»
«Und sogar deine ganzen Schulaufgaben.»
«Ja, das ist wahr.»
«Glaub' mir, Trevor, das lohnt sich. Im Moment siehst du das vielleicht anders, aber eines Tages wirst du mir noch dankbar sein dafür, du wirst schon sehen.»
«Das werd' ich wohl, ja», murmelte Trevor. «Lieber Himmel, schau auf die Uhr! Ich komm' noch zu spät.»
«Dann nichts wie weg», sagte Graham und fuhr Trevor mit einem Lächeln durchs Haar. «Und vergiß nicht, deine Hausaufgaben vorzulegen.»
«Keine Sorge, das werd' ich nicht», grinste Trevor gezwungen und packte seine Schultasche.
«Und du solltest dich auch bald mal um den Zahn kümmern, mein Junge», fügte Graham hinzu, «wird ja immer schlimmer sonst. Sieh zu, daß du einen Termin bekommst beim Schulzahnarzt.»
«In Ordnung, Dad», antwortete Trevor und stürmte aus der Tür.
Er hatte beileibe nicht vor, den Schulzahnarzt oder sonstwelche Dentisten aufzusuchen. Dieser Dr. Himmler - wie er den Schulzahnarzt zu nennen pflegte - und seine Assistentin Griselda hatten ihm den Geschmack an Zahnbehandlungen schon beim ersten Besuch gründlich verdorben. Himmler war
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