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Inspector Alan Banks 01 Augen im Dunkeln

Titel: Inspector Alan Banks 01 Augen im Dunkeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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und wohnten, im Gegensatz zu Mr. Patel, von ihren Geschäftsräumen entfernt. Bislang hatten sich auch keine Passanten gemeldet, trotz eines entsprechenden Aufrufs in der Yorkshire Post.
      Richmond hatte das Haus von Alice Matlock noch einmal gründlich durchsucht, jedoch kein Testament finden können. Alice hatte offenbar nichts besessen außer einem Postsparbuch, das zum Zeitpunkt ihres Todes ein Guthaben von hundertfünf Pfund und fünfundfünfzig Pence auswies. Sie schien zu einem immer seltener werdenden Menschenschlag gehört zu haben, der seinen Verhältnissen entsprechend lebte, und war in all den Jahren mit dem ausgekommen, was sie als Krankenschwester verdient oder später an Pension zur Verfügung gehabt hatte. Laut Auskunft von Ethel Carstairs hatte sie nie von einem Testament gesprochen, so daß das Tatmotiv der Gewinnsucht in sich zusammenfiel, bevor es noch hatte konstruiert werden können.
      Am Freitag morgen betrat Banks das Revier, völlig versunken in die Klänge von Monteverdis Orfeo. Soeben flehte Orpheus den Seelenfährmann Charon an, ihn ins Reich der Schatten einzulassen, um Eurydike noch einmal zu sehen.
     
    Non viv'io, no, che poi de vita e priva Mia cara sposa, il cor non e piü meco, E senza cor com'esserpuö ch'io vivaf
     
    sang der Mann, der die wilden Tiere mit seiner Musik zu zähmen vermochte: Ich fühle kein Leben mehr; seit meinem Weib das Leben genommen wurde, ist mein Herz mit ihr gegangen, und wie soll ich leben können ohne mein Herz?
      Völlig entrückt achtete er nicht auf die Frau, die am Empfang auf ihn wartete, bis der diensthabende Sergeant ein Husten von sich gab und ihn mit einer Berührung am Arm aus seiner Trance weckte. Etwas verlegen stellte ihn der Beamte der wartenden Frau vor und wandte sich wieder seinen Pflichten zu, während Banks seine Kopfhörer abnahm und Thelma Pitt nach oben in sein Büro führte.
      Offensichtlich stark angespannt, setzte sie sich auf den Stuhl, den er für sie hervorholte. Ihr blondes Haar war unverkennbar gefärbt, da sich an den Ansätzen ein deutlicher dunkler Nachwuchs zeigte, der in Verbindung mit ihrem hageren, immer noch attraktiven, herzförmigen Gesicht und dem für ihr Alter zu kurzen Rock den Eindruck einer einst sehr lebenslustigen und schönen Frau erweckte, mit der es rapide abwärts ging. Neben ihrem rechten Auge war ein dunkelroter, sich bereits gelblich verfärbender Bluterguß zu sehen.
      Banks legte eine neue Akte an und nahm als erstes ihre persönlichen Daten auf. Ihr Name kam ihm irgendwie bekannt vor, bis er sich nach einer Weile erinnerte, daß sie und ihr Mann, ein hiesiger Landarbeiter, vor zehn Jahren eine Viertelmillion Pfund im Lotto gewonnen hatten. Banks kannte sämtliche Details der Geschichte aus den Sonntagszeitungen. Die beiden waren damals jungverheiratet gewesen; der Ehemann sechsundzwanzig, Thelma fünfundzwanzigjahre alt. Eine Zeitlang war ihr neugewonnenes Jet-set-Leben in ganz Eastvale die cause célebre gewesen, bis Thelma ihren Mann verlassen hatte und zu einer Art lokaler femme fatale geworden war. (Seltsam, überlegte Banks, daß sich bei diesen delikaten Dingen immer die französischen Redewendungen aufdrängten und als unübersetzbar erwiesen.) Thelmas legendäre Parties waren dem Vernehmen nach nur mühsam kaschierte Orgien, an denen etliche prominente Eastvaler teilgenommen und sich damit manche Unannehmlichkeiten eingehandelt hatten. Als die Parties vorüber waren, zog sich Thelma in ein komfortables, aber namenloses Dunkel zurück. Ihr Mann starb Jahre später bei einem Autounfall in Frankreich.
      Bis dahin war die Geschichte schon traurig genug; und nun saß diese Frau vor ihm, wirkte zehn Jahre älter, als sie war, umklammerte ängstlich die Handtasche auf ihrem Schoß und hatte zweifellos von neuen Schicksalsschlägen zu berichten.
      «Ich möchte einen Diebstahl anzeigen», meldete sie und drehte nervös an einem dicken Rubinring auf dem zweiten Finger ihrer rechten Hand.
      «Und wer wurde bestohlen?» erkundigte sich Banks. «Ich vermute, es ...»
      «Ja, es handelt sich um mich.»
      «Wann ist das passiert?»
      «Am Montag abend.»
      «Bei Ihnen zu Hause?»
      «Ja.»
      «Um welche Zeit?»
      «Kurz nach zehn. Ich war früh zu Hause.»
      «Wo waren Sie vorher?»
      «Wo ich jeden Montag bin, im Golfklub.»
      «Um zu spielen?»
      «Nein», antwortete sie mit einem dünnen Lächeln und entspannte sich ein wenig. «Um zu

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