Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche
um das Tier zu vertreiben. Er mochte keine Hunde - für ihn kamen allenfalls Katzen in Frage - und am allerwenigsten deren stolze Besitzer, die gewöhnlich erwarteten, daß man die verdammten Viecher hätschelte wie ein neugeborenes Kind. Nach einem etwas heftigeren Tritt hatte er den aufdringlichen Köter schließlich davon überzeugt, daß es besser war, ihn in Ruhe zu lassen und zu seinem Korb zu schleichen, von wo aus er den Besucher mit einer Mischung aus Groll und Selbstgefälligkeit musterte. Unterdessen war der Major mit den Getränken beschäftigt und hatte dem Geschehen glücklicherweise den Rücken zugekehrt.
Der Raum war heiß und stickig und roch nach abgestandenem Rauch. Banks bemerkte ein altes Pfeifengestell an der Wand über dem Kamin. In der Hoffnung auf ein harmonisches und gemütliches Beisammensein ließ er sich in einem hochlehnigen Sessel nieder und brachte seine eigene Bruyere in Gang.
Der Major überreichte ihm einen knapp bemessenen Whisky mit Soda, goß sich selbst etwas großzügiger ein und ließ sich in die abgewetzten Lederpolster eines Ohrensessels sinken, den er offensichtlich schon seit Menschengedenken für sich beanspruchte.
Banks hatte die Erfahrung gemacht, daß es zwei Typen von Militärs gab : Die einen betrachteten die Angehörigen der Polizei als eine Art Berufskollegen oder gar Waffenbrüder, die anderen hielten sie eher für dubiose Emporkömmlinge, für armselige Amateure, die es nicht ganz geschafft hatten, in die höheren Ränge zu kommen. Major Cartwright gehörte offensichtlich zur zweiten Kategorie, da er Banks mit unverhohlener Feindseligkeit musterte. Die rotgeschwollenen Adern rund um seine Nase verrieten eine deutliche Neigung zu hochprozentigen, frühmorgendlichen Muntermachern.
«Also, was gibt's?» schnarrte er ungeduldig, als habe man ihn mitten in seinen Schlachtplänen für einen neuen Angriff auf die aufmüpfigen Buren gestört.
Banks berichtete von dem Mordfall - begleitet von einem gelegentlichen kurzen Knurren und ruckartigen Nicken seines Gegenübers - und versuchte, möglichst taktvoll darauf hinzuweisen, daß der Major den verstorbenen Mr. Steadman vermutlich als letzter lebend gesehen hatte, von dem Mörder selbstverständlich abgesehen.
«Und wann soll das gewesen sein?» fragte Cartwright.
«Samstag abend, um zehn Uhr etwa. »
Der Major fixierte ihn aus eisblauen Augen und nippte an seinem Whisky. «Wer behauptet das?»
«Das spielt keine Rolle, Major. Entscheidend ist nur, ob es zutrifft.»
«War bestimmt dieses neugierige Frauenzimmer von nebenan, wie? Dummes, altes Klatschweib.»
«Ist es zutreffend, daß Sie Steadman gesehen haben und es eine Auseinandersetzung gab?»
«Sie wollen doch wohl nicht andeuten -»
«Ich will gar nichts andeuten. Ich habe Ihnen lediglich eine einfache Frage gestellt.»
Der Major schwenkte einen Moment lang den verbliebenen Whisky in seinem Glas und entschloß sich dann zu antworten: «Na schön, und was ist, wenn's so wäre?»
«Das werden Sie mir erzählen.»
«Da gibt's nichts zu erzählen, wirklich. Hab ihn erwischt, wie er sich wieder an meine Tochter rangemacht hat, und ihm klargemacht, daß er seine Pfoten bei sich behalten soll.»
«Und warum sind Sie grob geworden?»
«Weil das nicht in Ordnung ist.» Cartwright beugte sich entrüstet vor. «Ein verheirateter Mann, noch dazu viel älter - wie würden Sie denn reagieren? Das ist einfach nicht gesund.» Er ließ sich wieder in den Sessel zurückfallen.
«Dachten Sie, die beiden hätten ein Verhältnis?»
«Augenblick mal, junger Mann, immer mit der Ruhe! Ich habe nichts dergleichen gesagt.»
«Schauen Sie», insistierte Banks, «es geht doch hier gar nicht um irgendwelche Beschuldigungen oder Anklagen. Ich möchte lediglich wissen, was Sie sich dabei gedacht haben. Wenn Sie gar nicht glauben, daß sich Ihre Tochter auf irgendwelche unschicklichen Sachen eingelassen hat - warum halten Sie es dann für nötig, Steadman buchstäblich über die ganze Straße zu treten?»
«Sie übertreibt wirklich, die alte Schachtel.» Cartwright schniefte, stürzte den Rest seines Whiskys hinunter, erhob sich, um eine betagte Bruyere-Pfeife aus dem Gestell über dem Kamin zu ziehen, steckte sie in einen ledernen Tabaksbeutel und begann sie zu stopfen. «Wir haben ein paar harte Worte gewechselt, ja, aber ich habe nie die Hand gegen ihn erhoben - geschweige denn den Fuß.
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