Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche
haben. «Trotzdem spricht eigentlich nichts dagegen, daß Sie mir sagen, wo Sie Samstag abend waren», meinte er.
Darnley blinzelte verschmitzt, doch seine Augen blieben hart und wachsam. «Bedauerlicherweise kann ich mit einem Alibi nicht dienen, Chief Inspector, und zwar für das gesamte Wochenende. Ich hatte eine Menge Arbeit nachzuholen und bin den ganzen Samstag zu Hause geblieben, um Klausuren durchzusehen und eine neue Interpretation des Peterloo-Massakers zu lesen. Meine Frau war natürlich auch da, aber das zählt wohl nicht, stimmt's?»
Banks lachte. «Solange ich sie nicht selbst gefragt habe, kann ich das wohl kaum wissen, oder?»
«Sie sind ganz schön listig, wie die Schotten sagen würden. Nein, in der Tat, das können Sie nicht wissen.»
«Warum waren Sie nicht auf der Beerdigung?»
«Ich war nicht geladen, niemand von uns. Wir wußten nicht mal, wann die Trauerfeier stattfinden sollte, und daß er gestorben ist, habe ich erst durch die Todesanzeige in der Yorkshire Evetiing Post erfahren.»
«Hatten Sie sich denn ganz aus den Augen verloren?»
«Ja, sozusagen.»
Nach einem kurzen, belanglosen Geplänkel und einem weiteren schäumenden Stout schien sich Darnley allmählich zu entspannen, und Banks begann, ihn über seinen Beruf auszufragen, um dem Gespräch eine sachliche Wendung zu geben. «Ich könnte mir vorstellen, daß Sie auch gelegentlich zu ein paar Hilfsmitteln greifen müssen», meinte er. «Es ist sicher nicht so einfach, mutterseelenallein vor hundert oder mehr Studenten zu stehen und eine ganze Stunde lang zu reden.»
«Von dieser Warte aus gesehen, klingt es tatsächlich einigermaßen beklemmend», räumte Darnley ein. «Man gewöhnt sich zwar daran, aber das Lampenfieber zu Beginn geht nie ganz weg, da haben Sie schon recht. Natürlich hab ich immer noch meine Notizen, auf die ich zurückgreifen kann, aber im Grunde geht einem Lehrer, der sein Geld wert ist, eigentlich nie der Stoff aus. Man kann immer noch improvisieren, ohne daß die Studenten etwas merken. Manchmal denk ich, daß ich ihnen ohne weiteres erzählen könnte, Adolf Hitler wäre einer der größten Politiker des zwanzigsten Jahrhunderts gewesen, und sie würden es einfach mitschreiben, ohne hellhörig zu werden. Und was die Hilfsmittel und Tricks betrifft... nun ja... jeder hat halt so seine eigenen Methoden entwickelt, um sich da vorn einigermaßen wohl zu fühlen. Wirklich merkwürdig, der eine geht zum Beispiel ständig auf und ab, ein anderer hängt die ganze Zeit über dem Vortragspult, und wieder andere setzen sich auf irgendeine Tischkante und falten die Arme über der Brust. Einer, den ich kannte, hat während der ganzen Vorlesung an seinen Schlüsseln gefummelt. Dummerweise hatte er die Dinger in der Hosentasche, und die Studenten haben alle geglaubt, daß er mit seinen edelsten Teilen spielt.»
Sie mußten beide lachen. «Und wie war Harry Steadman?» erkundigte sich Banks, eher beiläufig.
Darnley warf ihm einen raschen Seitenblick zu. «Harry war einfach gut», antwortete er. «Unser Kontakt ist zwar abgebrochen, und ich habe ihn nur noch selten gesehen, nachdem er die Universität verlassen hatte, das stimmt schon, aber früher haben wir uns recht nahe gestanden, und es tut mir wirklich sehr leid, daß er so früh gestorben ist. Ich würde sagen, wir waren eher gute Kollegen als dicke Freunde - falls man da überhaupt einen Unterschied machen kann -, und er war außergewöhnlich begabt, wie Sie sicher bereits wissen. Sehr ehrgeizig auch, ja, aber nur in seinem Fach. Er hat fest geglaubt an die Dinge, mit denen er sich beschäftigte - an die Lehre, die Forschung, die Entdeckung neuer Gebiete -, er war überzeugt von dem gesellschaftlichen Nutzen seiner Arbeit, und das ist eine Einstellung, die heutzutage selten geworden ist, glauben Sie mir. Es hat sich ein erschreckender Zynismus breitgemacht im Bildungswesen, vor allem, seit die Regierung uns Professoren offenbar für ziemlich entbehrlich hält.»
Banks nickte. «Mit der Verbrechensbekämpfung ist es ähnlich. Die Schlacht ist jetzt schon verloren, zumindest aber hat man den Eindruck, auf verlorenem Posten zu stehen, und das ist der Arbeitsfreude nicht gerade förderlich.»
«Trotzdem scheint man wenigstens an den Nutzen Ihrer Tätigkeit zu glauben. Immerhin wird einiges investiert, in höhere Löhne, mehr Personal und zeitgemäße Ausstattung.»
«Das ist wahr, allerdings war das auch
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