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Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche

Titel: Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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geringschätzige Haltung seines Kollegen, «der Chief Inspector liegt vielleicht gar nicht so falsch.» Er bedachte Banks mit einem verschwörerischen Zwinkern. «Es stimmt schon, Harry hat ganz gerne mal einen getrunken und sich gelegentlich auch auf den Fakultätsfesten blicken lassen, aber so richtig wohl war ihm dabei eigentlich nicht. Vor allem, wenn er sich nicht so ganz in seinem Element fühlte, sozusagen, wenn also niemand da war, mit dem er über sein Fach sprechen konnte. Da blieb dann nicht viel, aus Sport hat er sich nicht viel gemacht, ferngesehen hat er auch nie, und hinter Frauen war er ganz gewiß nicht her.»
      «Wollen Sie damit sagen, daß er sich unbehaglich gefühlt hat unter Nichtakademikern?»
      «Oh, nein, da haben Sie einen völlig falschen Eindruck - Harry war überhaupt kein Bildungssnob. Ich erinnere mich zum Beispiel, daß ich ihn einmal in Gratly besucht habe - kurz nachdem er umgezogen war - und daß wir einen sehr vergnüglichen Abend verbracht haben, in einer reichlich verkommenen Spelunke, mit einem Burschen, der irgendwelche Thriller schrieb, und ein paar anderen Knaben aus dem Dorf. Nein, Harry hat eigentlich mit jedem geredet und sich immer schon beklagt über dieses ganze intellektuelle Getue unter Akademikern. Es war einfach so, daß sein ganzes Herz der Arbeit gehörte, und da diese Arbeit nun mal mit Menschen zu tun hatte, hat er sich auch gern mit ihnen umgeben. Dieses Fachgebiet, mit dem er sich beschäftigte, hat wirklich eine außerordentlich starke menschliche Komponente, verstehen Sie, es ist keineswegs abstrakt, und insofern war er immer interessiert an ganz normalen Leuten, an ihrem Werdegang und ihren Lebensumständen. Wie Sie sicher wissen, hat er sich in der Hauptsache mit Industriearchäologie und der Zeit der römischen Besatzung beschäftigt, aber er begeisterte sich auch für Folkmusic, für die alten Sagen und Märchen und solche Dinge. Außerdem war er ganz fasziniert von der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung und den radikalen Vorkämpfern der Arbeiterklasse. Man konnte also durchaus behaupten, daß Harry recht vertraut war mit dem sogenannten gemeinen Volk und daß er einfach keine Zeit hatte, sich mit sinnlosem Partygeschwätz abzugeben. Er hatte eben immer die Neigung, das Gespräch auf seine eigentlichen Interessen zu lenken.»
      Talbot tat mit einem mürrischen Nicken sein Einverständnis kund und zündete sich eine Zigarette an. «Lassen Sie es mich einmal so sagen, Chief Inspector Banks», begann er im Ton eines Professors, der einen begriffsstutzigen Studenten vor sich hat, «wenn Sie jetzt, in diesem Moment, hier mit Harold Steadman am Tisch sitzen würden - was sich nach Lage der Dinge natürlich von selbst verbietet -, hätte er Sie bereits nach Ihrem Job gefragt und wissen wollen, wie er Ihnen gefällt, nur, um ein Gespräch in Gang zu bringen. Er hätte festgestellt, wo Sie herkommen, wie Ihr familiärer Hintergrund beschaffen ist, und Sie schließlich - je nachdem, wie interessant ihm diese Dinge erschienen wären - weiter ausgefragt - beispielsweise darüber, ob Ihr Vater Gewerkschafter gewesen ist oder Landarbeiter in den Dales oder er hätte Ihnen etwas über die Geschichte Ihrer Gegend erzählt, über die Querverbindungen mit dem Rest des Landes, über den Einfluß der Römer auf dieses Gebiet und dergleichen Dinge mehr. Mit anderen Worten, er war unterhaltsam, und man fühlte sich wohl in seiner Gesellschaft. Da er ein Gefühl dafür hatte, wann er die Leute langweilte, hielt er rechtzeitig den Mund und hörte eine Zeitlang höflich zu. Wenn er allerdings umgekehrt zu dem Ergebnis gekommen wäre, daß Sie ihn langweilen», meinte Talbot und schnippte gekonnt die Zigarettenasche ab, «hätten Sie wohl nicht sehr viel Freude an ihm gehabt. Ist das so ungefähr richtig, Darnley?»
      Darnley nickte.
      «Was ist mit Mrs. Steadman? Hatten Sie häufig Kontakt zu ihr, während der Zeit in Leeds?» erkundigte sich Banks bei Talbot, der offenbar recht mitteilsam geworden war, aber schließlich war es Darnley, der seine Frage beantwortete.
      «Ja, zu Anfang schon. Ein hübsches junges Ding, wirklich. Die beiden waren damals natürlich noch fremd hier und wollten ein paar Leute kennenlernen, um in der neuen Umgebung Fuß zu fassen. Aber dann hat sie sich sehr bald wieder zurückgezogen, wie die meisten Professorenfrauen. Das ist keineswegs ungewöhnlich, glauben Sie mir. Meine Frau zum Beispiel würde sich heute unter keinen

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