Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
wirklich, Chief Inspector! Sie werden doch wohl nicht glauben, ich hätte irgendetwas mit dem Tod des Mannes zu tun?«
»Ich will es nur ausschließen, Sir.«
»Ach so, na gut.« Harkness rieb sich das Kinn. »Lassen Sie mich überlegen ... Also, am Donnerstag war ich im Golfclub. Nachmittags habe ich mit Martin Lambert gespielt, nach der Partie haben wir im Club zu Abend gegessen.«
»Wann sind Sie von dort aufgebrochen?«
»Es war lange nach elf Uhr. Die anderen werden das bestätigen.«
Banks nickte. Er hatte das Gefühl, dass Harkness das Spielchen genoss, weil er wusste, dass er es gewinnen würde. Er strahlte eine Selbstgefälligkeit und Arroganz aus, die Banks ärgerten. Bei mächtigen und wohlhabenden Menschen war ihm das schon früher begegnet und er hatte diese Art immer schlecht ertragen.
»Ich habe gehört, Sie sind in dieser Gegend geboren«, sagte Banks.
»Stimmt. In Lyndgarth, um genau zu sein. Wir sind ausgewandert, als ich vier war.«
»Nach Südafrika?«
»Genau. Johannesburg. Mein Vater hat dort gute geschäftliche Chancen gesehen. Er ist gerne Risiken eingegangen und dieses zahlte sich aus. Warum fragen Sie?«
»Aus Interesse. Sie haben das Geschäft übernommen?«
»Ja, als er starb. Aber nicht etwa, weil ich sein Sohn war, sondern weil ich das nötige Geschick besaß. Ich hatte seit Jahren mit ihm zusammengearbeitet. Er hat mir alles beigebracht, was er wusste.«
»Existiert die Firma noch?«
»Und ob! Unsere Minen sind immer noch ertragreich. Aber mit diesem Teil des Geschäftes habe ich schon lange nichts mehr zu tun. Ich bin vor über zehn Jahren nach Amsterdam gezogen, um die Vertriebsseite des Geschäftes zu übernehmen.« Er senkte den Blick, schwenkte die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Kristallglas und blickte Banks dann direkt in die Augen. »Ganz ehrlich gesagt, mir war die Politik da drüben zuwider. Die Apartheid ekelte mich an und mir fehlte der Mut, ein Revolutionär zu werden. Wer will auch schon einen weiteren weißen Liberalen?«
»Deshalb sind Sie nach Amsterdam gezogen?«
»Ja.«
»Aber an Ihren Geschäftsinteressen in Südafrika haben Sie festgehalten?«
»Ich sagte, ich konnte nicht länger mit der Politik leben, Chief Inspector. Ich habe nicht gesagt, ich wäre ein Dummkopf. Außerdem glaube ich nicht an die Wirkung von Sanktionen. Aber um das zu hören, sind Sie nicht hergekommen, oder?«
»Aber es ist faszinierend. Sind Sie verheiratet?«
»Geschieden, während meiner Zeit in Amsterdam.« Er rutschte auf seinem Stuhl umher. »Wenn Sie nichts dagegen haben ...«
»Entschuldigen Sie.« Banks stellte sein leeres Glas ab und stand auf. »So sind wir Polizisten eben. Neugierig.«
»Das hat schon so manchen umgebracht.«
Harkness sagte es mit einem Lächeln, aber Banks konnte die Schärfe der Bemerkung kaum entgehen. Er ignorierte sie und ging zur Tür der Bibliothek.
Als sie durch den düsteren Flur mit seiner hüfthohen Vertäfelung gingen, blieb Banks vor einer der Türen stehen. »Was ist denn hier drin?«, wollte er wissen.
Harkness öffnete die Tür und schaltete das Licht ein. »Das Wohnzimmer.«
Es war ein geräumiges Zimmer mit hohen Decken, das mit einem dicken Teppich ausgelegt und einer burgunderroten dreiteiligen Sitzgarnitur eingerichtet war. Neben dem Kamin stand ein hohes, mit alten National GeographicMagazinen voll gepacktes Bücherregal. An den Wänden hingen ein paar Landschaften, offensichtlich originale Ölgemälde. Banks konnte nicht sagen, wer die Künstler waren, aber Sandra hätte es wahrscheinlich gewusst. Auch dieses Zimmer, so fiel Banks auf, war unaufgeräumt und die Möbel staubig. Neben dem Sofa befand sich ein langer, niedriger Tisch, auf dem in der Mitte ein angelaufener und mit Dreck verkrusteter Silberkelch stand. Banks hob ihn hoch. »Was ist das?«, fragte er.
Harkness zuckte mit den Achseln. »Carl hat ihn mal gefunden, als er den Garten umgegraben hat, und mir gebracht. Sieht alt aus. Ich will ihn schon ewig reinigen und schätzen lassen. Er glaubte, er könnte etwas wert sein. Ich nehme an«, fuhr er fort, »man kann darin ein weiteres Beispiel für seine Ehrlichkeit sehen. Er hätte das Ding ja behalten können.«
Banks begutachtete den Kelch. Eine Art Muster war eingraviert, aber Banks konnte es durch den Schmutz nicht genau erkennen. Es sah aus wie ein Wappen. Er stellte den Kelch zurück auf
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