Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
an. Die den Platz säumenden Gaslaternen, die als Kulisse für die Touristen aufgestellt worden waren, gingen an, erst schwach, dann heller, bis sich ihr glühendes Licht in seltsamen Formen zwischen den Pfützen spiegelte. Als Morgenmuffel liebte Banks diese Tageszeit besonders, aber ein Klopfen an der Bürotür störte seine feierliche Stimmung. Dann führten Constable Tolliver und Susan Gay einen aufgeregten Les Poole herein.
»Ich habe ihn im Crown and Anchor aufgelesen, Sir«, erklärte Tolliver. »Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat. Aber da geht er sonst eigentlich nicht hin.«
»Ein bisschen nobel für Sie, was, Les?«, meinte Banks. »Sind Sie in letzter Zeit zu Geld gekommen?«
Poole knurrte nur und rang sich ein spöttisches Lächeln ä la Elvis Presley ab. Tolliver verschwand, Susan Gay setzte sich auf den Stuhl neben die Tür und holte Notizbuch und Stift hervor. Banks bedeutete Poole, sich ihm gegenüber an den Schreibtisch zu setzen. Poole trug Jeans und eine Lederjacke, darunter ein türkisfarbenes T-Shirt, das sich über seinen Bauch spannte. Selbst über den Tisch hinweg konnte Banks seine Bierfahne riechen.
»Nun, Les«, sagte er, »können Sie sich vorstellen, warum wir Sie heute Abend aus dem Pub geschleppt haben?«
Les Poole rutschte auf seinem Stuhl umher und schwieg. Sein Gesicht bekam einen mürrischen Warum-immer-ichAusdruck.
»Na?«
»Keine Ahnung.«
»Raten Sie!«
»Sie haben etwas über Gemma rausgefunden?«
»Falsch. Ich arbeite jetzt an einem anderen Fall, Les. Die Sache mit Gemma hat der Superintendent übernommen.«
Poole zuckte mit den Achseln. »Dann habe ich keinen blassen Schimmer. Sollte ich nicht einen Anwalt dabeihaben?«
»Wie Sie wollen. Noch haben wir Sie nicht angeklagt. Sie helfen uns nur bei unseren Ermittlungen.«
»Und was wollen Sie jetzt von mir?«
»Informationen.«
»Über was?«
»Können Sie lesen, Les?«
»Natürlich.«
»Lesen Sie Zeitung?«
»Ab und zu. Den Sportteil vor allem. Ich meine, die meisten Nachrichten sind schlecht, oder? Warum soll man sich runterziehen lassen, sage ich immer.«
Banks kratzte die schmale Narbe neben seinem rechten Auge. »Genau. Wie läuft eigentlich der Fernseher - dieser schöne, neue, den Sie haben?«
Poole stand halb auf. »Hören Sie, wenn es darum geht...«
»Ganz ruhig, Les. Setzen Sie sich. Es geht nicht um den Einbruch in Fletchers Warenhaus, von dem Sie, wie Sie mir berichtet haben, nichts wissen. Obwohl wir vielleicht später darauf zurückkommen. Nein, es geht um etwas Schlimmeres.«
Poole setzte sich wieder hin und verschränkte seine Arme. »Ich habe keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen.«
»Dann lassen Sie es mich Ihnen klar machen. Und zwar mit zwei Worten, Les: Carl Johnson. Erinnern Sie sich, der Kerl, nach dem ich Sie vor ein paar Tagen gefragt habe, der, von dem Sie sagten, Sie hätten nie von ihm gehört?«
»Wer?«
»Sie haben mich genau verstanden.«
»Na und? Ich kenne immer noch keinen Ben Johnson.«
»Carl, Les. Wie Carl Lewis. Sie sollten den Sportteil gründlicher lesen. Und der Versprecher war mir ein bisschen zu forciert, um überzeugend zu klingen. Meinen Sie nicht auch, Susan?«
Banks schaute über Pooles Schulter zu Susan Gay, die neben der Tür saß und nickte. Poole drehte sich um und starrte sie an, dann wandte er sich wieder ab, neigte seinen Kopf zur Seite und tat so, als würde er den Kalender an der Bürowand betrachten, der die Wasserfälle von Aysgarth bei Hochwasser zeigte.
»Dem Direktor des Gefängnisses von Armley zufolge«, erklärte Susan, die von ihren Notizen ablas, um der Aussage mehr Nachdruck zu verleihen, »teilte ein Mr Leslie Poole vor ungefähr vier Jahren sechs Monate lang eine Zelle mit einem Mr Carl Johnson.«
»Komischer Zufall, was, Les?«, meinte Banks.
Poole sah ihn trotzig an. »Und wenn? Man kann nicht von mir verlangen, dass ich mich an jeden erinnere, den ich mal kennen gelernt habe, oder?«
»Haben wir Ihr Gedächtnis ein bisschen aufgefrischt?«
»Ja, gut ... jetzt, wo Sie es sagen. Aber das war ein anderer Kerl. Er hieß genauso, okay, aber es war ein anderer Kerl.«
»Ein anderer als wer?«
»Als der, den Sie meinen.«
»Woher wissen Sie, wen ich meine?«
»Ist doch logisch, oder? Der Kerl, der ermordet wurde.«
»Aha. Schon besser, Les. Und ich habe schon
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