Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
hatte einen Hund auf dem Arm, so einen kleinen Pekinesen, und dieser Kerl riss ihr den Köter einfach aus dem Arm und schmiss ihn in die Fritteuse und marschierte dann in aller Seelenruhe aus dem Laden. Das ist ein Irrer. Mit dem will ich nichts zu tun haben.«
»Kann ich Ihnen nicht verdenken«, meinte Banks. »Wie heißt er?«
»Keine Ahnung. Hat Carl nie gesagt.«
»Les!«
»Hören Sie, wenn das jemand erfährt...«
»Es bleibt unter uns, Les. Ganz im Vertrauen.«
»Versprochen?«
»Meine Aufgabe besteht darin, Verbrechen zu verhüten, denken Sie daran. Glauben Sie, ich will noch einen Mord in meinem Revier haben? Und Sie machen sich keine Vorstellung, wie sehr ich Sie vermissen würde.«
»Oje. Trotzdem ...«
»Les.«
Poole hielt inne. »Okay, okay. Ich vertraue Ihnen - also auch ganz hypothetisch und so. Ich weiß nur, dass er Chivers heißt. Das wird mit einem >sch< ausgesprochen, wie Schauer oder Schauder. Bei dem Kerl läuft einem ja auch ein Schauer über den Rücken.«
»Wie sieht er aus?«
»Weiß ich nicht. Wie gesagt, ich habe ihn nie kennen gelernt.«
Banks war nicht überzeugt. Zunächst einmal war er sicher, dass Poole an dem Einbruch in Fletchers Warenhaus beteiligt gewesen war; außerdem konnte man jetzt mit aller Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass auch Johnson und dieser Chivers darin verwickelt waren, gemeinsam mit John Fairley, dem Besitzer des Trödelladens. Dass Poole sich nicht selbst belasten wollte, konnte er natürlich verstehen, besonders da es nun um Mord ging.
Bei Les Poole musste man immer im Hinterkopf behalten, dass er im Gefängnis gewesen war; er wusste genau, wie wertvoll Informationen sein konnten und wie wichtig es manchmal war zu schweigen. Er hatte gelernt, für sich die besten Konditionen herauszuschlagen, ohne im Gegenzug viel preiszugeben. Er war vielleicht ein Schmalspurganove, ein Feigling und ein nicht besonders heller Rabauke, aber er kannte sich aus. Er kannte alle Tricks und Kniffe, um den eigenen Hals zu retten; er konnte genau abwägen, inwieweit er kooperieren musste, um selbst keine Probleme zu bekommen. Banks hatte das Gefühl, dass er etwas verheimlichte und dass er diesem Chivers - obwohl er es abstritt - begegnet war; aber das alles reichte noch nicht aus, um ihn in die Enge zu treiben. Sie brauchten weitere Druckmittel und Poole hatte in einer Sache Recht: Brenda Scuphams Fernseher zu beschlagnahmen würde tatsächlich einen sehr schlechten Eindruck hinterlassen.
»Ist er noch in Eastvale?«
»Keine Ahnung. Ich glaube nicht.«
»Können Sie mir sonst noch etwas über ihn sagen?«
»Nein. Außer dass ich ihm an Ihrer Stelle aus dem Weg gehen würde. Carl sagte, er hatte diese Tussi und ...«
»Was für eine Tussi, Les?«
»Diese Tussi, die Chivers dabeihatte. Irgend so eine Blondine. Anscheinend hat er immer eine Gespielin dabei. Die Mädels stehen auf ihn. Muss wohl an seiner unberechenbaren, jähzornigen Art liegen.«
Auf Les standen sie auch, erinnerte sich Banks und fragte sich, ob es wegen dieser Blondine ein bisschen Ärger gegeben haben mochte. Vielleicht hatte Les einen Annäherungsversuch gewagt und Chivers hatte ihm einen Schrecken eingejagt. Oder vielleicht hatte sich Carl Johnson an sie herangemacht. Sich den Rest aus den paar Brocken zusammenzureimen, die Poole ihm aufgetischt hatte, war nicht mehr schwierig.
»Was hat Carl über Chivers' Freundin gesagt?«, fragte er.
»Bloß, dass Chivers mal auf einen Kerl eingestochen hat, weil er sie falsch angeguckt hat. Er hat ihn nicht umgebracht, nur ein bisschen aufgeschlitzt sozusagen. Aber, wie gesagt, er hatte nie einen Mangel an Tussis. Und wenn man Carl glauben will, waren das nie irgendwelche Schlampen. Nur Qualitätsware. Vielleicht liegt es an seinem Lächeln«, fügte Les hinzu.
»Welches Lächeln?«
»Was weiß ich. Carl hat nur gesagt, er hätte ein echt nettes Lächeln. Seine Kumpel sollen ihn >Lächler< genannt haben. «
Als Banks Pooles letzten Kommentar hörte, begannen seine inneren Alarmglocken zu läuten. »Susan«, sagte er und schaute über Pooles Schulter. »Wissen Sie, ob der Superintendent noch im Hause ist?«
* II
Brenda Scupham konnte sich nicht auf das Fernsehprogramm konzentrieren. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie ausgehen solle, vielleicht in einen Pub, aber dann wurde ihr klar, dass sie die Fragen und Blicke der Leute nicht
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