Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
Menschenkenntnis, auf Charakter. Auf Vertrauen, verdammt nochmal! Immerhin habe ich hier acht Jahre lang gearbeitet.«
Kemp zuckte mit den Achseln. »Aber ich kann kaum behaupten, dass ich Sie wirklich kenne, oder? Wir hatten immer nur eine fachliche Beziehung, eine Arbeitsbeziehung, wenn Sie so wollen.«
»Und meine Arbeit ist immer von höchster Qualität gewesen. Was ist also mit meinem Job? Wenn Sie glauben, dass ich nichts Unrechtes getan habe, und wenn Sie Vertrauen in meine Lehrtätigkeit haben, warum kriege ich dann meine Stelle nicht zurück?«
»Sie machen es mir sehr schwer, Owen.«
Owen schlug auf den Tisch. »Ach, tatsächlich? Das tut mir wirklich Leid. Vielleicht ist Ihnen einfach noch nicht aufgegangen, wie wahnsinnig schwierig das erst für mich ist.«
Kemp rollte auf seinem Bürostuhl ein Stückchen zurück. »Owen, mit einem solchen Benehmen helfen Sie sich überhaupt nicht.«
»Ersparen Sie mir das. Sie haben mir meine Position bereits klar gemacht. Ich möchte nur, dass Sie zugeben, warum. Und bitte erzählen Sie mir nicht, wie wahnsinnig schwierig es für Sie ist.«
Kemp wich nicht weiter zurück, sondern beugte sich nach vorn auf den Schreibtisch und legte seine Hände aneinander. »Na schön«, sagte er. »Sie wollen es anscheinend nicht anders: Die Schule hat ihren Unwillen geäußert, einen Dozenten zu beschäftigen, der im Ruf steht, mit seinen Schülerinnen ins Bett zu gehen und sie nackt zu fotografieren. Das ist schlecht für unser Image. Dadurch vertrauen die Eltern uns ihre Kinder nicht mehr an. Und da unsere Existenz von den Schülern abhängt und ein großer Prozentsatz von ihnen Schülerinnen in einem beeinflussbaren Alter sind, kam man zu dem Entschluss, dass Ihre Anwesenheit unserem Weiterbestehen abträglich ist. Und zudem hält unsere Schule nicht viel von Dozenten, die ihre Noten nach sexuellen Vorlieben statt nach akademischen Leistungen verteilen.« Er holte tief Luft. »Na, Owen, gefällt es Ihnen so besser?«
Owen grinste ihn an. »Ja, das ist okay. Es ist auf jeden Fall besser als der Schwachsinn, den Sie mir vorhin aufgetischt haben. Aber nichts von dem, was Sie sagen, ist bewiesen. Das sind alles Gerüchte.«
Kemp schaute auf den blinkenden Cursor. »Sie wissen, wie sich Gerüchte verbreiten und welchen Schaden sie anrichten können. Und man wusste hier von Ihrer ... äh ... Beziehung zu Miss Chappel. Schon damals.«
»Aber Sie haben nichts unternommen. Warum jetzt?«
»Die Umstände haben sich geändert.«
»Ich habe also meinen Job verloren, weil sich die Umstände geändert haben?«
»Kein Rauch ohne Feuer.«
»Sie selbstgefälliger Mistkerl!«
»Leben Sie wohl, Owen!« Kemp stand auf. Er streckte seine Hand nicht aus.
Schon wieder Michelle. Owen wollte am liebsten den Computermonitor nehmen, ihn durchs Fenster schleudern und dann Kemp auf die Nase hauen. Aber er beherrschte sich. Hier war seine Karriere als Lehrer beendet, vielleicht war sie nirgendwo mehr möglich. Man würde über ihn Bescheid wissen, egal wo er sich bewarb. Die akademische Gemeinde war klein, Gerüchte verbreiteten sich schnell.
Anstatt Kemp zu schlagen, gab sich Owen damit zufrieden, die Tür zuzuknallen. Als er den Flur hinabmarschierte, wäre er fast mit Chris Lorimer zusammengestoßen.
»Owen.« Chris hatte einen Stapel Aufsätze unter dem Arm, den er anscheinend nur mit Mühe festhalten konnte. »Ich ... was ...«
»Kemp will mich nicht wieder einstellen.«
»Mmmmh ... tja. Ich nehme an, du kannst seine Situation verstehen.« Lorimer trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, als müsste er unbedingt zur Toilette.
»Kannst du sie verstehen? Du, Chris, es ist Mittag, ich bin genervt und könnte was zu trinken vertragen. Bisher hatte ich einen miesen Tag. Wie sieht es aus mit einem Pint und was zu essen drüben im Pub? Ich lade dich ein.«
Lorimer verrenkte sich, um auf seine Uhr zu schauen. »Ich würde gerne, Owen, ich würde wirklich gerne, aber ich muss schnell los.« Und schon beim Sprechen eilte er davon und jagte den Flur hinab, als hätte Owen eine ansteckende Krankheit. »Vielleicht irgendwann anders?«, rief er über seine Schulter, bevor er um eine Ecke verschwand.
Sicher, dachte Owen, irgendwann anders. Du kannst mich auch mal, Chris Lorimer! Du und die ganze Bagage.
* III
»Wen haben wir denn da«, sagte Banks. Er stand oben an der Treppe und schaute hinab
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