Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
tun hatte. Wenn das herauskommt, würde er auch alles verlieren. Damit könnte er ein ziemlich schlüssiges Motiv haben.«
»Oder seine Frau?«, gab Gristhorpe zu bedenken.
»Ja. Es könnte auch eine Frau gewesen sein«, stimmte Banks zu. »Schließlich gab es keinen Beweis für eine Vergewaltigung, und die Leiche könnte so arrangiert worden sein, dass es nach einem Sexualverbrechen aussieht. Rebecca Charters ist wahrscheinlich groß und kräftig genug.«
»Und sie könnte sogar zwei Motive gehabt haben«, fügte Gristhorpe an. »Die Vertuschung ihrer Affäre mit Metcalfe oder die Abwendung einer möglichen Entlassung ihres Mannes.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist wirklich Peyton Place, was wir hier zusammenreimen, Alan. Kannst du dir vorstellen, dass so etwas in einer netten, kleinen Stadt in Yorkshire wie Eastvale passiert?«
Banks lächelte. »>Aufgrund meiner Erfahrung, Watson, bin ich davon überzeugt, dass in den schlimmsten und abscheulichsten Gassen Londons keine schrecklicheren Sünden geschehen als auf dem heiteren und herrlichen Land.<«
Gristhorpe lächelte zurück. »Und was ist mit Jimmy Riddles Leuten?«, fragte er.
»Mit Sicherheit nicht über jeden Zweifel erhaben. Ich komme von dem Gedanken nicht los, dass Michael Clayton eine Affäre mit Sylvie Harrison gehabt haben könnte, so unwahrscheinlich das auch klingt. Sir Geoffrey und Michael Clayton sind seit der Universität enge Freunde. Wenn Clayton tatsächlich eine Affäre mit der Frau seines Freundes hatte und wenn Deborah davon wusste, hätte das verheerende Auswirkungen haben können. Denk nur daran, wie viel Geld und Prestige da auf dem Spiel stehen.«
»Soviel ich weiß, hat auch keiner von ihnen ein Alibi.«
»Richtig. Und sie wussten alle, dass Deborah montags zum Schachklub geht, und sie wussten alle, um wie viel Uhr sie normalerweise nach Hause kommt. Und auf welchem Weg. Aber selbst wenn wir die schreckliche Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sie zu einem solchen Verbrechen imstande wäre - Sylvie Harrison ist weder groß noch kräftig genug, um ihre Tochter umzubringen. Rebecca Charters ist die einzige Frau in diesem Fall, die es so gerade eben noch getan haben könnte.«
»Dann also Clayton?«
»Möglich. Auf jeden Fall halte ich ihn von den beiden für wahrscheinlicher. Allerdings war er der Patenonkel des Kindes.«
»Wir dürfen außerdem nicht vergessen«, fügte Gristhorpe hinzu, »dass HarClay Industries eine Menge Aufträge für das Verteidigungsministerium ausführt. Sie sind in einer Menge streng geheimer Sachen involviert. Wenn Deborah von irgendwelchen Mauscheleien Wind bekommen hat, von Verträgen mit ausländischen Regierungen und so weiter ...«
»Oder von etwas, das unsere Regierung nicht an die Öffentlichkeit dringen lassen will?«
»Das würde ich denen schon zutrauen«, pflichtete ihm Gristhorpe bei. »Laut deinen Berichten war Sir Geoffrey zur Zeit des Mordes an seiner Tochter bei einem vertraulichen Treffen mit einem Mann von der Regierung namens Oliver Jackson. Zufällig kenne ich diesen Oliver Jackson, und er ist eigentlich nicht von der Regierung, er ist vom Geheimdienst.«
»Verrennen wir uns jetzt nicht ein bisschen?«, meinte Banks. »Vielleicht war das nur jemand, der genauso heißt.«
Gristhorpe schüttelte den Kopf. »Ich habe es bei der Kriminalpolizei in York überprüft. Es war ganz genau derselbe Oliver Jackson. Sie wussten, dass er in der Stadt war, ihnen wurde jedoch nicht gesagt, warum. Das ist einfach ein weiterer Aspekt, den wir in Betracht ziehen müssen. Gibt es sonst noch Möglichkeiten?«
Banks seufzte. »Mir fallen keine mehr ein«, sagte er. »Es sei denn, Deborah ist über illegale Vorgänge in der Schule gestolpert. Irgendetwas mit Sex oder Drogen vielleicht. Aber wir konnten dort nichts finden.«
»Für den Moment haben wir ja trotzdem eine Menge.«
Banks stand auf, ging zur Tür und griff schon in seine Tasche nach seiner Schachtel Silk Cut.
»Übrigens«, meinte Gristhorpe, »wie macht sich Inspector Stott?«
Banks blieb an der Tür stehen. »Seit Pierce freigelassen worden ist, läuft er wie ein Trauerkloß herum. Ich mache mir langsam Sorgen um ihn.«
»Vielleicht fängt er sich nach einem freien Wochenende wieder.«
»Vielleicht.«
Als er zurück in sein Büro ging, hörte Banks unten im Gang laute Stimmen und sah nach, was dort los war. Am Fuße der Treppe standen
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