Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
geringste Sorge.
Auf den Feldern um Gallows View waren Bauarbeiter zu sehen, sie mischten Beton, kletterten mit Steinen beladen Leitern hinauf oder standen einfach nur redend und Zigaretten rauchend herum. Bald würde die alte Häuserreihe verschluckt sein. Banks fragte sich, ob der Name der Straße und der Gegend geändert werden würde, wenn die neue Siedlung fertig war. Gallows-Siedlung würde man im Stadtrat vermutlich nicht durchkriegen.
Als sich Banks dem Laden der Mahmoods näherte, schloss sich für ihn ein Kreis. Nicht nur der Jason-Fox-Fall hatte ihn hierher geführt, in seinen ersten Fall in Eastvale war auch der frühere Besitzer des Ladens verwickelt gewesen. Und so, wie es aussah, könnte dies sein letzter Fall sein.
George stand in seinem weißen Hemd mit Nehru-Kragen hinter dem Tresen und bediente eine junge Frau, die ein Baby vor ihre Brust gebunden hatte. Als er Banks sah, machte er ein finsteres Gesicht. Seine Mutter Shazia kam aus der Kühlabteilung, wo sie gerade Tiefkühlpizzen ausgezeichnet hatte.
Obwohl sie Banks nur bis zur Schulter reichte, schaute sie ihn herausfordernd an. »Was wollen Sie dieses Mal, Mr. Banks? Haben Sie hier nicht schon genug Schwierigkeiten gemacht?«
»Ich wüsste nicht, dass ich Schwierigkeiten gemacht habe, Mrs. Mahmood. Auf jeden Fall nicht absichtlich. Ich habe einer Arbeit nachzugehen.« Eine kleine Lüge, merkte er. Hatte einer Arbeit nachzugehen wäre richtiger gewesen. »Ich habe einer Arbeit nachzugehen und das ist manchmal schwierig. Es tut mir Leid, dass Sie dadurch Probleme hatten.«
»Ach, wirklich? Sie werfen meinen Sohn über Nacht in eine Zelle und ängstigen seine armen Eltern zu Tode.«
»Mrs. Mahmood, George wurde nirgendwohin geworfen, und er hat sein Recht wahrgenommen, einen Anruf zu tätigen. Wenn er Sie nicht angerufen ...«
Sie machte eine ungeduldige Handbewegung. »O ja, er hat uns angerufen. Aber wir haben uns trotzdem Sorgen gemacht. Ein Junge wird einfach mit all den Kriminellen ins Gefängnis gesteckt.«
»Er war allein in der Zelle. Hören Sie, ich habe keine Ahnung, woher Sie das haben ...«
»Und nur wegen seiner Hautfarbe. Glauben Sie nur nicht, wir wissen nicht, warum Sie es auf uns abgesehen haben.«
Banks holte tief Luft. »Hören Sie, Mrs. Mahmood, ich habe genug davon. Wir haben Ihren Sohn mitgenommen, weil er und seine Freunde in der Tatnacht einen Streit mit dem Opfer hatten, weil beide ungefähr im gleichen Stadtteil wohnen, weil er sich weigerte, mit uns zu kooperieren, und weil wir etwas Verdächtiges an seinen Turnschuhen gefunden hatten.«
»Verdächtig? Tierblut?«
»Das wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht. Es hätte menschliches Blut sein können.«
Sie schüttelte den Kopf. »Mein Sohn würde nie jemandem etwas antun.«
»Tut mir Leid, aber in meiner Branche kann man nicht immer so viel Vertrauen haben, wie man gerne möchte.«
»Und was war beim zweiten Mal? Das ist doch eine Hetzjagd.«
»Meine Kollegen hatten einen Zeugen gefunden, der ausgesagt hat, er hätte gesehen, wie George und seine zwei Freunde Jason Fox verprügelt haben. Was sollten sie machen?«
»Aber er hat gelogen.«
»Ja. Aber auch das konnten wir zu dem Zeitpunkt nicht wissen.«
»Und warum kommen Sie nun und belästigen uns schon wieder?«
»Schon in Ordnung, Mutter«, sagte George und kam herbei. Die Frau mit dem Baby schien hin- und hergerissen zu sein, ob sie gehen oder bleiben sollte, um das Gespräch mit anzuhören. Sie brauchte eine Ewigkeit, um ihr Wechselgeld im Portemonnaie zu verstauen. Als Banks sie mit einem durchdringenden Blick bedachte, hastete sie hinaus und murmelte tröstend auf ihr Baby ein, das zu weinen begonnen hatte.
»Können wir irgendwohin gehen und in Ruhe reden, Mohammed?«, fragte Banks.
George deutete mit dem Kopf zum Lagerraum am Ende des Ladens.
»Ich werde einen Anwalt anrufen«, erklärte Mrs. Mahmood.
»Nicht nötig, Mama«, sagte George. »Ich komme schon klar.«
Banks folgte ihm nach hinten. Der Lagerraum war voll mit Kisten und Kartons und roch nach Kümmel und Schuhcreme. Er hatte keine Fenster, und wenn er welche hatte, dann waren sie hinter den Kartonstapeln versteckt. In der Mitte des Raumes brannte eine nackte Glühbirne. Banks fand, dass der Raum aussah, als wäre er der Fantasie eines Filmemachers von einem dieser Verhörzimmer aus früheren Zeiten entsprungen. Erst vor
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